Zärtliche Machos
BNN Ettlingen, Montag 26. Februar 2024, Ausgabe Nr. 47
Männer auf dem Rückzug reden sich ein, voranzuschreiten
„Zärtliche Machos“: Inszenierung von Werner Kern feiert in der Kleinen Bühne Ettlingen eine begeisternde Premiere
Normalerweise ist's ja so: Verschlägt es eine hübsche Dame in einen Männerhaushalt, der von drei mehr oder weniger freiwillig unbeweibten Herren geführt wird, dann beginnt das große Gockeln. Da wird der Bürzel gebürstet, der Kamm aufgestellt, das Kikeriki gekräht, während gleichzeitig die Wohnungs- und Körperhygiene sowie Umgangsformen einen ordentlichen Zuwachs vermelden. Jedem Beobachter wird dabei sofort klar, dass so etwas wie Zivilisation nur mit Frauen möglich ist. Die Kerle alleine kriegen das nicht hin. Normalerweise. Etwas anders ist es in René Heinersdorffs Boulevardkomödie „Zärtliche Machos“, die jetzt in einer Inszenierung von Werner Kern in der Kleinen Bühne Ettlingen Premiere feierte.
Zwei etwas traurige Topfpflanzen umrahmen ein spärlich bestücktes Bücherregal, ein runder Tisch, eine Anrichte im Hintergrund, ein Sofa und ein Lehnstuhl: Die Wohnung von Karl (Yousef Mostaghim), Harald (Matthias Hüther) und Philipp (Lukas Köck) strahlt triste funktionale Sachlichkeit aus Die drei Männer, die Großvater, Vater und Sohn sind, verbringen ihren Abend Skat-spielend, Wein-trinkend, rauchend und – ganz wichtig – über Frauen redend. Und zwar so, wie Männer über Frauen reden, wenn sie unter sich sind. Also ziemlich zotig.
Mit ihrem Wahlspruch „Wie wird das Leben erst richtig schön? Ohne Frauen, ohne Frauen, ohne Frauen!“ versichern sie sich der Vorzüge des Daseins ohne bessere Hälfte. Doch so ganz mag man ihnen das nicht glauben: Viel zu obsessiv versucht Karl den Ladykiller zu geben. Haralds Stimme wirkt etwas belegt, wenn er über seine Ex redet. Und Philipp ist doch etwas gram darüber, dass seine Versuche, mit Damen anzubandeln, bisher wenig erfolgreich waren. Es sind Männer auf dem Rückzug, die sich einreden, voranzuschreiten. So könnt's gehen bis zur Leberzirrhose, aber weil es eine Komödie ist, tut's das natürlich nicht.
Frischer Wind weht herein, in Gestalt von Cecilia (Julia Braun) aus der Wohnung obendrüber. Die lagert ihre Haustiere bei den dreien ein, um sie vor dem Vermieter zu verstecken. Im Schnelldurchlauf: Ein Reigen beginnt aus Ablehnung, Annäherung, Abstoßung, erneuter Annäherung. Lebensgeheimnisse werden aufgedeckt, Suppen im wahrsten Sinne des Wortes versalzen, Konstellationen bilden sich neu. Das alles in rascher Folge, dass es tatsächlich nicht eine Minute ohne ein Lachen abgeht.
Yousef Mostaghim brilliert mit slapstickhafter Schlagfertigkeit, gibt dem Karl eine an Louis de Funès erinnernde Dreistigkeit. Hüther lässt unter Haralds Machismo eine glaubhafte Verletzlichkeit spüren. Köcks Philipp dagegen könnte etwas mehr Kontur vertragen. Julia Braun (Cecilia) hingegen vereint kecken Übermut und schmeichelnde, weibliche Überzeugungskraft ganz trefflich. […] Jens Wehn
Zärtliche Machos
BNN Ettlingen, Dienstag 23. Februar 2024, Ausgabe Nr. 45
Drei Machos überraschen ihr Publikum
Kleine Bühne Ettlingen spielt ab Samstag eine neue Boulevardkomödie
Es ist eine Szene aus einem gutbürgerlichen Wohnzimmer: Drei Männer sitzen um einen Tisch. Eine Rotweinflasche, Spielkarten. Sie unterhalten sich und als stiller Beobachter merkt man schnell: Irgendwie haben diese drei ein offenbar generationenübergreifendes Problem mit Frauen. Die Kleine Bühne Ettlingen spielt das Stück „Zärtliche Machos“ in einer Eigeninszenierung, Premiere ist am Samstag.
Karl (Yousef Mostaghim), sein Sohn Harald (Matthias Hüther) und Enkel Philipp (Lukas Köck) sind die namensgebenden Machos. Über eines sind sich die drei, die unter einem Dach leben, einig: Frauen haben in unserer Wohnung nichts zu suchen. Aber schon in den ersten Minuten ahnt man: So ganz einig ist sich dieses Trio nicht. Eines Tages klingelt Cecilia (in einer Doppelbesetzung: Julia Braun und Madeleine Bicák) bei der Männer-WG. Sie wohnt im Stockwerk darüber und stellt eine Diagnose: „selbstgefälliges Machotum“.
Werner Kern inszeniert die Komödie von René Heinersdorff. Er hat für die Kleine Bühne unter anderem 2017 bei Sebastian Fitzeks „Seelenbrecher“ (zusammen mit Bernd Hagemann) und bei Yasmina Rezas „Kunst“ (2019) Regie geführt. „Zärtliche Machos“ stand bereits 2020 auf dem Spielplan, konnte aber wegen der Corona- Pandemie nicht aufgeführt werden. Jetzt war die Frage: Was machen wir mit dem Stück? erzählt Werner Kern. Bei vielen Boulevardstücken weiß man ja gleich, wie es läuft. Aber hier ist eben nicht gleich klar, wie es ausgeht, erzählt Kern. In der Pause denkt man sich: Was wird da passieren? Großes Fragezeichen.
Die Rolle des Großvaters übernahm Yousef Mostaghim. Man spielt ja bei allen Rollen etwas, was man sich vielleicht im echten Leben nicht zu sagen traut, sagt er, aber auf der Bühne kann man das: Jemand ganz anderes sein. Das ist auch so eine Rolle, die ein bisschen mehr die komödiantische Seite verlangt. Er wolle sich aber nicht auf komische Rollen festlegen lassen. Ich hatte schon Rollen, das gab es kein einziges Lächeln auf der Bühne, sagt er.
Auch der Nachwuchs geht der Kleinen Bühne nicht aus: Lukas Köck war bislang nur einmal in einer Mini-Rolle im Corona-Stück „Home Office“ zu sehen. Cecilia, die weibliche Hauptrolle, wurde gleich doppelt besetzt. Julia Braun hatte ihren ersten Auftritt ebenfalls in „Home Office“, und Madeleine Bicák steht zum ersten Mal auf dieser Bühne. Die doppelte Besetzung ist eine Herausforderung. Weil man mehr proben muss, und die Frauen weniger Probezeit haben als die Männer, erläutert Werner Kern. Offenbar funktioniert das, was er als wichtigen Motivationsfaktor für die engagierten Ensemblemitglieder betrachtet. Es muss Spaß machen. Man muss Lust haben, hierherzukommen und es muss auch was zu lachen geben. Thomas Zimmer
LIEBE großgeschrieben
BNN Ettlingen, Dienstag 25. April 2023, Ausgabe Nr. 95
Hommage an eine Kabarett-Legende
Beim Fritz-Pechovsky-Abend in Ettlingen greifen Musik, Lyrik, Prosa und Schauspiel nahtlos ineinander
Die Bluegrass-Band Dapper Dan Men trifft den 97-jährigen Kabarett-Autor und Jazz-Fan Fritz Pechovsky zu einem ungewöhnlichen Joint Venture in der kleinen bühne Ettlingen. LIEBE großgeschrieben ... Ansonsten bin ich völlig normal heißt das Programm, das am Wochenende zwei fast ausverkaufte Vorstellungen erlebte. Die Kombination funktioniert unter anderem, weil die Musiker sich dem Werk und dem Leben des Alten mit großem Respekt nähern.
Das wird schon klar, als Torsten Gormass, der Sänger der Band, das Publikum begrüßt. Seine Worte hören sich an wie eine Hommage. Fritz ist in Ettlingen weltberühmt, sagt er und spricht von der Faszination, an dessen Lebenserfahrung teilhaben zu dürfen. Der wiederum habe der Band attestiert, die Musik habe ihn gleich 30 Jahre jünger gemacht.
Musik und Lyrik, Prosa und Schauspiel greifen nahtlos ineinander. Als Ideal gilt die Vereinigung von emotionaler, geistiger und körperlicher Liebe. Dieses Ideal macht sich Pechovsky zu eigen, wie in seinen Texten deutlich wird. Das ist nur zum Teil angelesen. Das ist auch meine Lebenserfahrung und Erkenntnis, betont er – in jedem Alter. Daran lässt er das Publikum hautnah teilnehmen. Ich habe sofort auf die Würde geschissen, besonders auf die Würde des Alters, sagt er, wenn er ein Rendezvous mit einer jüngeren Frau schildert.
Spielerisch im Wortsinn gehen Wünsche und real Erlebtes ineinander über. So etwa, wenn er zusammen mit der Schauspielerin Elisabeth Görtz die erotische Begegnung mit einer verheirateten Frau aufführt. Es wäre kein Ehebruch. Ein Geschenk von mir. Ich gebe dir selbstlose Liebe, denn es wäre mir recht, wenn du dabei an deinen Mann denkst.
Wenn Pechovsky die Liebe in ihrer vollen Blüte mit einer Sinfonie vergleicht, wirft die Band ihre geballte emotionale Kraft und ihr instrumentales Können in die Waagschale und erzeugt damit den emotionalen Soundtrack zur perfekten Vereinigung von Geist und Körper. Auch wenn Pechovsky im zweiten Teil des Abends melancholisch über verpasste Gelegenheiten räsoniert, letztlich siegt der Optimismus: Ich gebe Glaube, Liebe, Hoffnung mein Vertrauen. Thomas Zimmer
(Anm. kleine bühne: Der Sänger der Dapper Dan Men heißt Thorsten Gormanns)
LIEBE großgeschrieben
BNN Ettlingen, Dienstag 18. April 2023, Ausgabe Nr. 89
Lieder und Texte aus dem Giftschrank
Fritz Pechovsky und die Bluegrass-Band Dapper Dan Men gestalten einen Abend zum Thema Liebe
Der heute 97-jährige Fritz Pechovsky hat mit den Grauen Zellen fast drei jahrzehntelang politisch-philosophisches Kabarett gemacht. Für die Senioren-Gruppe schrieb er Jahr für Jahr ein Programm, in dem er seine Sicht der Welt mit den Mitteln der Satire auf die Bühne brachte. Aber auch nach dem Ende der Grauen Zellen ist seine Kreativität noch lange nicht versiegt. Jetzt bringt er einen Abend auf die Bühne unter dem Titel LIEBE großgeschrieben... Ansonsten bin ich völlig normal.
Der Untertitel Der Eros: lyrisch, musikalisch und auch ein wenig pornografisch deutet an, was zu erwarten ist: Zur Liebe gehört auch der Sex. Das will ich betonen. Aber ich will auch rüberbringen, dass die Liebe nicht nur Vögeln ist. Man kann auf verschiedene Art lieben, sagt Pechovsky. Zu sehen ist eine Mischung aus Lesung, Musik und Schauspiel. Die Schauspielerin Elisabeth Görtz setzt die Texte szenisch um, für die Musik sorgt die Bluegrass-Band Dapper Dan Men. Begonnen hatte alles mit einem Text, den Torsten Gormanns, Sänger der Band, musikalisch umsetzte. Er hat mir das vorgespielt und ich war so begeistert, denn er hat den Sinn verstanden, erzählt Pechovsky. Dann habe ich ihm einen ganzen Wust von Sachen gegeben, die ich geschrieben habe. […] So ist es nur folgerichtig, dass Giftschrank auf dem Ordner stand, aus dem Torsten Gormanns die Texte auswählte, die ihm zum Vertonen geeignet erschienen. […] Mir hatte gefallen, dass ein älterer Herr locker und leichtfüßig und in einer schönen Sprache mit dem Thema umgeht. Ich habe die Texte gelesen und hatte sofort Melodien im Kopf. […] Die Bandversionen mit Gitarre, Kontrabass, Geige, Banjo und Lapsteel lassen nun eine vielfältige Musik erklingen. Anklänge an Countrymusik, Schlager und Liedermacher-Stil sind zu hören. Wir vertonen das mit allen musikalischen Freiheiten. Es geht darum, den Fritz in den Fokus zu stellen als Person und mit seiner ganzen Lebenserfahrung. Als er angefangen hat, von seinem Leben zu erzählen, hingen ich und die Jungs von der Band an seinen Lippen. […] Thomas Zimmer
Homeoffice
BNN Ettlingen, Montag 13. März 2023, Ausgabe Nr. 60
Picknick in Zeiten des Lockdowns
Das satirische Corona-Stück Home Office feiert Premiere an der kleinen bühne Ettlingen
Die Komödie Home Office. Du machst Dir kein Bild von Bernd Spehling könnte auch Menschen im Park in seltsamen Zeiten heißen Der Zweiakter, der am Samstag an der kleine bühne in Ettlingen Premiere hatte, ist eigentlich eine Collage aus Einzelschicksalen, von Regisseur Daniel Frenz mit angemessenem Tempo – aber nicht hektisch in Szene gesetzt. Es geht um Menschen, die sich auf zwei Parkbänken begegnen und ins Gespräch kommen. Menschen, die im ersten Corona-Lockdown irgendwie mit der Situation umgehen müssen.
Es ist vor allem die Ensemble-Leistung des um einige junge Gesichter verstärkten Theaters, die an diesem Abend überzeugt. Das Stück klammert die wirklich schweren Probleme dieser Zeit aus. Was damit zu tun haben könnte, dass das Stück bereits 2020 entstand. Die Debatten über die Impfung oder die Folgen längerer Lockdowns finden keinen Widerhall, weshalb eine heitere Leichtigkeit vorherrscht, nicht zuletzt, weil wohl jeder im Publikum sich selbst in der einen oder anderen Person wiedererkennt.
Für besonders befreiendes Schmunzeln sorgt die Rentnerin (Monika Hertrampf), die möglicherweise auf ihre Kreuzfahrt verzichten muss und wunderbar eskalieren kann. Die auf die Frage, ob sie glücklich verheiratet ist, die herrliche Antwort gibt: Ich verstehe die Frage nicht, er ist halt da. Da ist der schüchterne Bürogeräte-Mechaniker Daniel, der von David Hagemann zuerst herrlich verklemmt gespielt wird und für eine Liebeserklärung an die Park-Joggerin Katja Sätze übt wie Du bist der Stern in meiner Nudelsuppe. Später entwickelt er sich zum wahren Westentaschen-Casanova, während seine Angebetete von Julia Braun als eine Frau gespielt wird, die immer das Heft in der Hand behält. Der Zuschauer kann gespannt und amüsiert die Qualen verfolgen, die dann entstehen, wenn man sich mit Abstand nähern will.
Den Justizfachangestellte Rüdiger zu Schade (Sven Herrmann) treibt das Home Office an den Rand des Wahnsinns. Gelegentlich verliert er formvollendet die Contenance, was in dem verzweifelten Aufschrei gipfelt: Ich hab’ schon Homeoffice-Ausschlag! Den zeigt er dem Parkarbeiter Hotte (Matthias Hüther), der immer wieder präsent ist, während sich die Besatzungen der Parkbänke abwechseln. Dabei kommentiert er mit einer gewissen gelassenen Bauernschläue das Geschehen oder gibt Praxistipps, etwa über ein romantisches Plätzchen weiter hinten im Park. Was es damit auf sich hat, sei hier nicht verraten.Thomas Zimmer
Homeoffice
BNN Ettlingen, Samstag 4. März 2023, Ausgabe Nr. 53
Eine Sache des Abstandes
Die kleine bühne Ettlingen spielt das satirische Corona-Stück Homeoffice. Du machst Dir kein Bild
Zwei Parkbänke mit gebührendem Abstand, dazwischen ein Restmülleimer. Davor eine achtlos weggeworfene OP-Maske. Zwei Männer lassen sich auf den Parkbänken nieder, kommen ins Gespräch. Als sie sich voneinander verabschieden, wird ihnen plötzlich klar: Händeschütteln ist ja nicht mehr angesagt in dieser seltsamen Zeit. Also versuchen sie es etwas ungelenk mit den Füßen.
Zu sehen ist die Szene in der neuen Eigeninszenierung der kleinen bühne Ettlingen. Die Komödie Homeoffice. Du machst Dir kein Bild von Bernd Spehling arbeitet die Corona-Zeit satirisch auf. Die Entscheidung für das Stück fiel nach dem Schauspieltraining, das Regisseur Daniel Frenz mit den Ensemblemitgliedern über die vergangenen zwei Jahre immer dann angeboten hatte, wann die Corona-Regeln es zuließen. Was wir in Einzelübungen gemacht haben, wollten wir irgendwann in Szenen packen. In der Zeit bin ich auf dieses Stück gestoßen. Weil das lauter Zwei-Personen-Szenen seien, habe sich das angeboten für die relativ große Schauspieltrainingsgruppe. Irgendwann haben wir uns entschieden, das komplett aufzuführen, sagt Frenz. Natürlich ist auch die Freude spürbar, endlich einmal wieder ein Stück mit elf Personen auf die Bühne bringen zu können.
Auch wenn Homeoffice als Komödie in zwei Akten tituliert ist, so ist es doch eher eine Abfolge von Momentaufnahmen, die sich im Kopf des Zuschauers zu einem Bild runden mögen. Es hat keine durchgehende Handlung mit einem Hauptdarsteller. Der rote Faden ist der Park, in dem das spielt und in dem sich immer irgendwelche Menschen in verschiedenen Konstellationen begegnen und miteinander unterhalten. Das sind Ausschnitte aus dem täglichen Leben, eine Collage kleiner, in sich abgeschlossener Geschichten. Das Stück stellt die Frage, wie eine Annäherung zwischen Menschen zustandekommen kann, wenn man sich auf keinen Fall zu nahe kommen darf. Die Streitpunkte finden in dem Stück nicht statt, erklärt Daniel Frenz: Da geht es nicht um die Frage, ob ich mich impfen lassen soll oder nicht. Es sind einfach Alltagsgeschichten. Gezeigt wird, wiejeder auf seine Weise mit dieser neuen Situation umgeht, und da stecken viele relativ abstruse Geschichten drin. Zum Beispiel, wenn sich eine Rentnerin Gedanken macht, ob sie jetzt diese 300 Euro verbilligte Kreuzfahrt machen kann oder nicht. Oder eine andere, in der es jemand daheim nicht mehr aushält und zu seiner Frau sagt: Ich muss ins Amtsgericht – und dann im Amtsgericht sagt, er macht Homeoffice. Da kennt doch wahrscheinlich jeder irgendjemanden, bei dem das so war. Das bringt dann die Schmunzler, so Frenz. Thomnas Zimmer
Miss Daisy und ihr Chauffeur
BNN Ettlingen, Montag 24. Oktober 2022, Ausgabe Nr. 246
Traumhafte Annäherung
Mit „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ nimmt kleine bühne Ettlingen erneut Fahrt auf / Premiere sehr gut besucht
Du bist ein unkalkulierbares Risiko – für die Versicherung!, sagt Boolie Werthan alias Bernd Hagemann zu seiner Mutter Daisy, 72 Jahre, und will ihr die Anstellung eines Chauffeurs schmackhaft machen, denn sie hat gerade den drei Monate alten Packard samt Garage zu Schrott gefahren. Carmen Steiner – graue Perücke, Schleifenbluse und Faltenrock – spielt die reiche Witwe glaubwürdig zwischen Selbstüberschätzung und dem Bestreben, ihren Wohlstand auf keinen Fall zur Schau zu stellen. Denn schließlich kenne ich meine von der Verfassung gewährten Rechte und bin erzogen worden, alles selbst zu tun&. Mit Trippelschritte abgucken hat sich Carmen Steiner nach bester Art des Method-Acting an private Situationen erinnert und die Rolle der 90-jährigen angeeignet.
Alfred Uhry, der deutsch-jüdisch-amerikanische Autor der Tragikomödie „Driving Miss Daisy“, thematisiert über eine Zeitspanne von 1948 bis 1973 jüdisches Leben im amerikanischen Südstaat Georgia und gewann damit 1988 den Pulitzer-Preis für Theater. Eingangs erwähnter Boolie, das wie das badische Bule für kleiner Junge klingt, stellt kurzerhand den schwarzen Hoke Coleburn als Chauffeur ein, kongenial verkörpert vom iranisch-deutschen Schauspieler Yousef Mostaghim, dessen Muttersprache Farsi ist. Chauffeur war einer der Berufe, der Schwarzen in den rassegetrennten Südstaaten zugestanden wurde. Dann nimmt das Stück, den meisten von der amerikanischen Verfilmung 1989 bekannt, buchstäblich Fahrt auf.
Wie im Film, wenn Autofahrten im Studio simuliert werden, arbeitet auch die Aufführung mit einer Leinwand für sogenannte Rückprojektionen, eine Idee von Regisseur Daniel Frenz. Ohne aufwändige Umbauarbeit erfolgt der schnelle Szenenwechsel der 21 Bilder. Hoke begleitet langmütig und schlagfertig – Sie haben sich auch verfahren Miss Daisy, Sie haben die Karte – die ewig nörgelnde Miss Daisy zum Einkaufen, zum Beten in den Tempel oder auf den Friedhof, wo die Witwe den Grabstein ihres Verblichenen schrubbt. Lokalkolorit kommt nicht zu kurz, denn Miss Daisy hat als Lehrerin auch Bürgermeister Arnold unterrichtet. Aber das Lachen kippt, als wie nebenbei eingestreut ein Lynchmord beschrieben wird. Um Erntedank herum bekennt die Witwe schließlich: Sie sind mein bester Freund, Hoke. Frenetischen Premierenapplaus nimmt das Ensemble, ergänzt durch Berthold Steiner, Technik, und Vorstand Matthias Hüther, entgegen.
Phantastisch, was die Schauspieler leisten!, sagen […] Konrad und Burgel Leuchtenmüller, die sich als Freunde der kleinen bühne bezeichnen. Maria Zarbo aus Durmersheim, die den Film Driving MIss Daisy kennt, ist voll des Lobes nach der Vorstellung: Hervorragend – die haben alles rübergebracht, sagt sie. Toll auch die Musik und Einspieler. Um ‚I Have A Dream‘ von Martin Luther King geht's nämlich in dem Stück. Jürgen Hotz
Miss Daisy und ihr Chauffeur
BNN Ettlingen, Dienstag 18. Oktober 2022, Ausgabe Nr. 241
Wenn aus einem Eindringling ein Vertrauter wird
Die kleine bühne Ettlingen startet mit dem Stück „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ in die erste Spielzeit nach Corona
Zwei Spielzeiten musste die kleine bühne Ettlingen wegen der Pandemie ausfallen lassen. Ende August gab es beim Ettlinger Marktfest mit einem Einakter das erste Lebenszeichen. Da haben die Leute schon gefragt: Geht es denn wieder los, macht ihr wieder was? Jetzt hoffen wir natürlich auch, dass die dann auch kommen wollen, sagt Regisseur Daniel Frenz. Er probt gerade die Tragikomödie „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ mit Carmen Steiner als Miss Daisy Werthan, Bernd Hagemann als Boolie Werthan und Yousef Mostaghim als Hoke Colburn.
Worum geht es in dem Stück? Die 72-jährige Daisy Werthan hat ihr Auto zu Schrott gefahren und sollte deshalb die Finger vom Steuer lassen. Deshalb engagiert ihr Sohn Boolie den schwarzen Chauffeur Hoke für sie. Daisy aber sträubt sich gegen den Eindringling und versucht, ihn schlicht zu ignorieren. Mit der Zeit aber verwandelt sich das angespannte Verhältnis in eine Art Vertrautheit. Es geht um zwei Außenseiter, um gesellschaftliche Ressentiments, aber auch ums Alter. Es ist eine rührende Geschichte: Ich kann lachen, nachdenken, sie ist traurig und herzlich. Da ist alles vereint, sagt Frenz. Die Stimmung im Ensemble beschreibt er als gut. Wir hatten zwischendrin mal drei Wochen Probepause, aber es hat auch danach erstaunlich gut geklappt. Das Ensemble hat über die lange Zwangspause durchgehalten, niemand ist abgesprungen, es konnten sogar neue Mitstreiter rekrutiert werden. Einige haben in einer Gruppe Schauspieltraining gemacht, weil sie sich noch nicht fit genug für ein Stück fühlten. Wir arbeiten im Augenblick an zwei weiteren Sachen. Eine davon hat sich aus dem Schauspieltraining ergeben, das ist für mich ein Experiment, erzählt Daniel Frenz. „Home Office – Du machst dir kein Bild“ heißt die satirische Komödie von Bernd Spehling. Das muss relativ zügig auf die Bühne, in fünf Jahren brauchst du das nicht mehr spielen. Da bin ich aber ganz zuversichtlich, dass das funktioniert. Als weitere Inszenierung plant Frenz das Einpersonen-Stück „Bis dass dein Tod uns scheidet“, eine schwarze Komödie von Lars Lienen. Das Stück „Zartbitter“ vom gleichen Autor lief bereits in der Spielzeit 2018/19 erfolgreich an der kleinen bühne. Wieder so weiterzumachen, wie es vor der Pandemie war, wird dieses Jahr nicht mehr klappen, aber nächstes Jahr dann bestimmt. Da wollen wir schauen, dass wir wieder mehr Eigenproduktionen hinkriegen, sagt der Vorsitzende der kleinen bühne, Matthias Hüther. Vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs haben wir uns im Vorfeld Gedanken über den Vorverkauf gemacht, falls Corona-Regeln kommen, die wir im August nicht vorhersehen konnten. Deshalb gibt es die Karten immer erst eine Woche vorher zu kaufen, sagt Frenz. Thomas Zimmer
Allgemein
BNN Ettlingen, Freitag 21. August 2020, Ausgabe Nr. 193
Theater in Wartestellung
Die kleine bühne Ettlingen nimmt den Probebetrieb vorsichtig wieder auf
Man sieht es auf den ersten Blick, wenn man die Räume der kleinen bühne Ettlingen betritt: Hier wird nicht geprobt, hier wird nicht gespielt. Das Bühnenbild ist abgebaut, die Fenster geöffnet, um Durchzug zu ermöglichen. So kann man sich mit den Theatermachern unter Corona-Bedingungen unterhalten. Über das, was nicht stattfindet: Zwei Komödien und eine Tragikomödie, die von Oktober bis April 2021 auf dem Programm gestanden hätten, und über das, was bald wieder stattfindet: Theaterarbeit in kleinen Gruppen.
Die Proben für die Stücke, die wir im Herbst spielen wollten, hätten Ende März angefangen. Also genau zu dem Zeitpunkt, als nichts mehr ging. Für die drei Stücke war also keine einzige Probe möglich, sagt Carmen Steiner, Ensemblemitglied und Vorsitzende der kleinen bühne. Als klar war, dass wir erstmal nichts machen dürfen, habe ich alles beiseite gelegt. Manche halten aber trotz Absage des Programms ihren Text warm.
Erst seit dem 1. Juli war eine Nutzung der Theaterräume wieder – unter Einhaltung der Hygieneregeln – möglich. Aber wie soll man Stücke spielen und proben, in denen es menschelt, wenn ein Mindestabstand der Akteure von mindestens 1,5 Metern verlangt wird? Wir haben 71 Zuschauerplätze, aber aufgrund der Abstandsregeln dürften wir nur 15 Zuschauer reinlassen, erläutert Regisseur Luigi Biolzi, der allerdings nicht versteht, warum man als angemeldete Gruppe von 20 Leuten zusammensitzen kann. Unter diesen Bedingungen verzichten die engagierten Amateure lieber auf den möglichen, eingeschränkten Spielbetrieb. Zumal weder die Darsteller noch das Theater als solches finanziell bedroht sind. Wir sind nicht klamm. Im Gegensatz zu anderen Vereinen geht es uns noch gut, sagt Biolzi. Alle Aktiven – ob auf oder hinter der Bühne – arbeiten ehrenamtlich. Finanziert werden muss lediglich die Miete für die Spielstätte und ein zusätzliches Lager. Die beiden vergangenen Spielzeiten sind sehr gut gelaufen, sodass wir ein kleines Polster ansparen konnten, was bis zu einer bestimmten Grenze erlaubt ist – wegen der Gemeinnützigkeit, bilanziert Carmen Steiner. Das würde reichen wenn die Situation wie jetzt nicht jahrelang andauert. Allerdings sind geplante Investitionen – wie etwa die Erneuerung der zerschlissenen schwarzen Bühnenvorhänge – einstweilen auf die lange Bank geschoben: Wir wollen aber wieder investieren, warten jetzt erst einmal ab, und entscheiden dann. Wir müssten eh in der Mitgliederversammlung abstimmen, die wir nicht abhalten konnten, erklärt Carmen Steiner.
Daniel Frenz, der sowohl Regie führt als auch als Schauspieler auf der Bühne zu sehen ist, ist von der Situation hörbar frustriert. Ich finde es schwer zu ertragen, dass nichts geht. Und wenn dann noch leichte Hoffnungen wieder zerschlagen wurden, das macht mich kirre. Immerhin, das Trio hat beschlossen, dass man sich ab Ende August in kleinen Gruppen treffen wird, um – so Luigi Biolzi – ein bisschen was auf die Beine zu stellen. Mit dem Gedanken: Was geprobt wird, soll nicht für umsonst gewesen sein. Entweder gibt es Schauspieltraining, um das Handwerk zu verbessern, oder eben Proben, mit dem Ziel, dass das in ein Stück münden könnte. Wenn es soweit ist, könnten wir an die Öffentlichkeit gehen. Sonst fehlt ein bisschen die Motivation.
Zum einen habe ich eine Schauspielausbildung gemacht und hätte das gerne weitergegeben. Es gibt ja auch viele sinnvolle Einzelübungen, die man mit Mindestabstand machen könnte, sagt Daniel Frenz. Wir können theoretischen Input liefern, den wir an bestimmte Übungen koppeln. Luigi Biolzi hätte für kommende Proben etwas in petto: Ein Art komödiantisches Kabarett, das könnte ich mit vier Personen machen, wobei immer nur zwei oder drei gleichzeitig auf der Bühne sind. Thomas Zimmer
Amber Hall
BNN Ettlingen, Dienstag 25. Februar 2020, Ausgabe Nr. 46
Spannung im Herrenhaus
Stück „Amber Hall“ sorgt für Grusel mit vielen Facetten
Die Schwestern Alanna und Emily haben von ihrer Tante Laura eine großes Vermögen geerbt. Davon haben sie mit Hilfe ihrer Anwältin Faith Tigh das hochherrschaftliche Anwesen Amber Hall gekauft, den vermeintlichen Schlüssel zum Glück. Am vergangenen Samstag öffnete sich in der Kleinen Bühne der Vorhang zur Premiere des gleichnamigen Stücks von Lars Lienen und führte die Zuschauer direkt ins Wohnzimmer des Herrenhauses.
Von da an beginnt ein Drama, das die beteiligten Figuren abwechselnd in Angst, Verzweiflung, und Wahnideen treibt. Text und Inszenierung lassen lange offen, wer verrückt, wer normal, wer Opfer und wer Täter ist. Carmen Steiner spielt in überzeugender Zerrissenheit die verängstigte Emily, die glaubt, von spukenden Geistern heimgesucht zu werden. Doris Pommerening als Alanna fällt die Rolle zu, die zwischen Freude und Verunsicherung schwankt. Einerseits will sie um jeden Preis den neu gewonnen Reichtum genießen, andererseits verzweifelt sie am rätselhaften Verhalten ihrer Schwester. Unterdessen versucht die Rechtsanwältin Faith Tight – von Elisabeth Görtz als Stimme der Vernunft gespielt – mehr über die Geschichte des Hauses und die Schicksale seiner Bewohner herauszufinden. Das mag etwas langatmig wirken, erhöht aber auch die Spannung.
Gruselige Geschichten können leicht eine unfreiwillige Komik entwickeln, hat Regisseur Daniel Frenz während der Proben gesagt. Er setzt stattdessen ganz bewusste auf Komik durch Übertreibung: Indem er Monika Hertrampf ihre Haushälterin Sonia Milani so überzogen spielen lässt, dass fast jeder ihrer Sätze Lacher hervorruft. Weil selbst die harmloseste Äußerung wie ein Fluch klingt. Dagegen wirkt Meta Kiefer-Klenk als Köchin Marie geradezu gutbürgerlich-normal. Dass auch sie mehr weiß, als sie sagt, wird durch ihr geradezu zwanghaftes zurechtrücken der Sofakissen angedeutet. Die Inszenierung stellt so den Zuschauer zunehmend vor die Frage: Wer ist hier die Böse? Keine? Alle?
Diese Fragen können und dürfen selbstredend hier nicht beantwortet werden. Soviel sei aber verraten: Sie werden erst kurz vor Schluss beantwortet. Zur Atmosphäre der Inszenierung tragen die bewährten Tricks bei, die auch stet’s in Genrefilmen eingesetzt werden: Drohende Musik, Soundeffekte und das Spiel mit dem Licht und den Farben. Das beschränkt sich nicht nur auf hell und dunkel, sondern beginnt schon damit, dass die Bühnen fast durchgehend in kaltes Licht getaucht ist. Was einen augenfälligen Gegensatz zu dem symbolisiert, was man in einem solchen Herrenhaus eigentlich erwartet: Gemütlichkeit, im besten Fall auch Geborgenheit. Allein schon das sorgt bei den Zuschauern für ein „Gänsehaut garantiert“-Gefühl. Thomas Zimmer
Amber Hall
BNN Ettlingen, Donnerstag 20. Februar 2020, Ausgabe Nr. 42
Zwei Schwestern im verwunschenen Haus
Premierenfieber: Die kleine bühne Ettlingen spielt „Amber Hall“ mit Gruseleffekt ab 22. Februar
Alanna und Emily könnte es eigentlich wieder prima gehen nach den schweren Schicksalsschlägen, die sie verkraften mussten. Ihre Eltern sind gestorben, aber nun haben sie von ihrer ihnen bis dato unbekannten Tante Laura ein großes Vermögen geerbt. Davon haben sie mit Hilfe ihrer Anwältin Faith Tigh (Elisabeth Görtz) das hochherrschaftliche Anwesen Amber Hall gekauft. Das gleichnamige Theaterstück von Lars Lienen, das die kleine bühne Ettlingen als nächste eigene Inszenierung präsentiert, beginnt mit dem Einzug der zwei Frauen in die prunkvolle Villa. Der Zuschauer merkt sehr schnell, dass etwas nicht stimmt. Zuerst wundern sich Emily (Carmen Steiner) und Alanna (Doris Pommerening) darüber, dass sie offenbar Personal mit eingekauft haben: Marie (Meta Kiefer-Klenk) und Sonia Milani (Monika Hertrampf) verhalten sich vom ersten Moment an merkwürdig, und dann geht auch noch das Licht aus.
Nachdem „Zartbitter“, eine bissige Komödie des Düsseldorfer Autors, Regisseurs und Schauspielers Lars Lienen bereits ein Überraschungserfolg geworden war, griff Regisseur Daniel Frenz erneut zu. „Ich fand, dass er gut schreibt, und habe mir von ihm noch andere Stücke kommen lassen, unter anderem eben das.“ Ein gewisser Gruseleffekt durchzieht das Stück, das Frenz als Mysterytheater bezeichnet. „Vom Subgenre ist es eine Haunted House Geschichte. Der Reiz lag darin, eine Geschichte zu machen, die keine Komödie ist.“ „Amber Hall“ steht in einer Reihe mit im weitesten Sinne dunkleren Stücken der vergangenen Jahre wie Stephen Kings „Misery“, der sehr schwarzen Komödie „Dänische Delikatessen“ oder dem Thriller „Seelenbrecher“, die das Spektrum der kleinen bühne erweiterten. „Es ist ja auch schön für die Schauspieler, wenn die mal was anderes spielen können als eine Komödie. Das ist immer interessant und auch eine Herausforderung. Das macht Spaß, und deswegen machen wir es auch.“
Bei der Auswahl der Stücke achten die Regisseure auch darauf, innerhalb einer Spielzeit möglichst viele Ensemble-Mitglieder auf die Bühne zu bringen. Nachdem in der Komödie „Männerhort“ ausschließlich Männer spielten, sind es in Amber Hall fünf Frauen.Das Stück ist in der Gegenwart angesiedelt, das Bühnenbild zeigt eine dezent vornehme, aber nicht überladen protzige Einrichtung, zur Atmosphäre tragen gezielt eingesetzte Geräusche und Soundeffekte bei. Den Text hat Daniel Frenz „eins zu eins“ übernommen, aber bei der Darstellung Akzente gesetzt, „wobei ich mit der Gefahr, dass es unfreiwillig komisch wird, schon ein bisschen gespielt habe. Es gibt Szenen, in denen ich mit Absicht bei ein paar Figuren in die Übertreibung gehe. Das ist aber nicht unfreiwillig komisch, sondern ist schon überzogen. So, wie wenn man sich einen alten Frankenstein-Film aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts anschaut: Wie die da so gucken, so etwas haben wir hier zum Teil auch drin. Man bedient da schon bestimmte Klischees. Das bietet sich an.“ Thomas Zimmer
Kunst
BNN Ettlingen, Montag 04. November 2019, Ausgabe Nr. 255
Kunst kommt von Konfrontation
Ausverkaufte Premiere von Yasmina Rezas Stück „Kunst“ in der kleinen bühne ettlingen
„Für diese Scheiße hast du 200 000 bezahlt?!“ Noch läuft die Premiere von Yasmina Rezas Dreipersonenstück „Kunst“ nur ein paar Minuten, als die blendend aufgelegten Schauspieler Adrian Müller (Serge) und Matthias Hüther (Marc), im Dialog den ersten Eklat des dramatischen Stückes liefern. Was noch 1919 mit Kasimir Malewitschs suprematistischem Gemälde „Weißes Quadrat auf weißem Grund“ der avantgardistischen Moderne einen Höhepunkt lieferte, führt 100 Jahre später – „weiße Querstreifen auf weißem Grund, es ist ein Andrios!“ – in postmodernen Zeiten zu einem Tiefpunkt in der Freundschaft zwischen Freunden.
Serge, ein Dermatologe, der von seiner Frau Françoise getrennt lebt und die Kinder nur am Wochenende sieht, hat das Gemälde erworben und zeigt es Marc, der in der Aeronautik-Branche arbeitet und mit Paula zusammen ist. Marc steigert sich regelrecht hinein, regt sich darüber auf, wie Serge, der keine Ahnung habe, das Gemälde habe kaufen können, der wiederum völlig humorlos darauf reagiert.
War denn Serge nicht eigentlich sein „alter ikonoklastischer Kumpel, mit dem man Spaß haben kann?“ Yvan (Lukas Buck) muss jetzt her! Yvan, der Dritte im Bund der Freunde, der kurz vor der Hochzeit mit Catherine steht. Yvan, der von der Textil- in die Papierbranche gewechselt ist und in allerlei Abhängigkeitsverhältnissen steht. Ausgerechnet „Yvan ist der Schiedsrichter“ und soll um seine Meinung gefragt werden. Yvan, der das Gemälde durchaus gut findet, konstatiert „Dein Zimmer hat etwas Mönchisches.“ Reduziert ist auch das Bühnenbild mit drei wandelbaren weißen Sitzwürfeln. Der choreografierte Auf- und Abbau der Szenen, die Art, wie die Schauspieler die Wege gehen, erinnert an Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ im Bauhaus. Je heftiger die Diskussionen, desto klarer treten die Charaktere der drei Männer zutage. Schnell bilden sich wechselnde Verhältnisse des Musters „Zwei gegen Einen“. Kleinste Details wie „die Art, Zigarettenrauch zu verscheuchen“ oder „du hast ohne Ironisierung das Wort Dekonstruktion benutzt!“ werden überempfindlich wahrgenommen, riesig aufgeblasen und enden in wüsten Beschimpfungen oder noch schlimmeren Aktionen. Die überraschende Auflösung am Schluss wird vom Premierenpublikum mit viel Beifall bedacht.
Mit dem Zitat von Claus Peymann „Ich glaube an das Theater als moralische Anstalt“ überreicht Carmen Steiner zum Dank Rosen und kleine Präsente an die Schauspieler, den Regisseur Werner Kern und Berthold Steiner für die Technik, der mit Kern auch das Bühnenbild verantwortet.
„Es hat uns nachdenklich gemacht“ sagen unisono Stefan Schöffel und seine Mutter Irene, die das Stück „nur empfehlen“ können. „Tiefgründig – aufs eigene Leben übertragbar“ meint Nina Elter. Anita Schwenker findet es „sensationell, weil es auch drei Frauen sein könnten, die so ins Detail gehen.“ Jürgen Hotz
Kunst
BNN Ettlingen, Mittwoch 30. Oktober 2019, Ausgabe Nr. 252
„Es war eine Lust, mit ihnen Theater zu spielen“
kleine bühne probt Yasmina Rezas preisgekröntes Stück „Kunst“ / Die Premiere ist am Samstag, 2. November
„Hier muss ein Lichtwechsel stattfinden“, sagt Werner Kern, der Regisseur. Die Bühne ist in tiefblaues Licht getaucht. Berthold Steiner dreht am Regler, das Licht changiert zu Violett: Lichtprobe in der kleinen bühne für das Dreipersonenstück „Kunst“ von Yasmina Reza, ausgezeichnet mit dem Prix Molière, dem höchsten Theaterpreis in Frankreich. „Das Stück ist eine Herausforderung für die Schauspieler, denn der Text ist sperrig.“ Die drei Schauspieler spielen das Stück wie in einer Generalprobe komplett durch. Der Textfluss soll nicht gestaut werden. Schon die Pause nach ungefähr einer dreiviertel Stunde sei problematisch, wie Kern anmerkt, da sie wieder in ihre Stimmung zurückfinden müssen. Seine drei Mimen kennt Werner Kern schon lange. Mit Adrian Müller und Matthias Hüther arbeitet er schon seit 2000, damals im Kinder- und Jugendtheater „Arcobaleno“ der kleinen bühne. „Es war eine Lust mit ihnen Theater zu spielen!“ Er selbst kam über seine Frau Esther Maria Kern, Schauspielerin am Kammertheater, zur Theaterarbeit und war lange Vorstand der kleinen bühne. Von 2008 bis 2017 pausierte er, bis er mit der Regiearbeit zu „Zartbitter“ (nächste Vorstellung: 16.11., 20 Uhr) wieder eingestiegen ist.
„Neun Seiten sind eine Szene, das sind gute Lernhäppchen“, so proben sie „Kunst“ seit Februar zweimal pro Woche, Urlaub ausgenommen.
„Der Regisseur ist Beobachter und nicht losgelöst von seinen Schauspielern“, charakterisiert Kern seine Auffassung, das Spiel zu leiten. Die Schauspieler machen zur Lockerung Sprechübungen. „Es ist sehr viel Text, und der muss in Fluss kommen“, was er jetzt, so kurz vor der Premiere, betreibe, sei Feinjustierung. Er wolle ihre Haltung schärfen. „Seid ihr bereit? Versucht, auf Betriebstemperatur zu kommen!“, sagt Kern Richtung Bühne ruhig, ohne die Stimme zu erheben. Dann Auftritt Serge (Adrian Müller) und Marc (Matthias Hüther), erste Szene: Serge hat sich ein modernes ölgemälde gekauft, weiße Streifen auf andersweißem Grund. Marc versteht die Welt nicht mehr. Dabei ist der Schöpfer der Arbeit ein berühmter Maler. Am wenigsten begreift Marc, dass der Preis so hoch ist. Obwohl Serge ein starker, auch eigensinniger Charakter ist, fragt er Yvan (Lukas Buck), ihren gemeinsamen Freund um seine Meinung. Das ist der Ausgangspunkt des Stückes. Wie sich im Verlauf des Stückes – bei der weiteren Bildbetrachtung – in dieser Dreieckskonstellation frei flottierende Bündnisse bilden und überraschende Wendungen ergeben, führt Yasmina Reza einmal mehr bravourös vor. Wie schon in „Der Gott des Gemetzels“ überzeugt die treffende Beobachtungsgabe der Autorin, die die Schauspieler der kleinen bühne glaubwürdig und mit sehr viel Körpereinsatz in die Spielszenen umsetzen. Man darf also sehr auf die Premiere gespannt sein. Jürgen Hotz
Männerhort
BNN Ettlingen, Montag 14. Oktober 2019, Ausgabe Nr. 238
Am Rande des Nervenzusammenbruchs
Das Stück „Männerhort“ feierte am Samstag Premiere an der kleinen bühne ettlingen
Man ahnt so Einiges, wenn man das Bühnenbild sieht: Ein kahler Kellerraum voll galoppierender Unordnung. Eine nackte Frau und der Kicker-Kalender an die Wand gepinnt, ein Fernseher, leere Pizzakartons. Eindeutig ein Ort also, an dem Männer das Sagen haben. Das Stück „Männerhort“ von Kristof Magnusson hatte am Samstag Premier an der kleinen bühne ettlingen. Die vier Männer, die sich hier im Lauf der folgenden zwei Stunden höchst amüsant um Kopf und Kragen reden, lügen und sich gegenseitig hinters Licht führen, haben diesen Raum als Zufluchtsort für vor ihren shoppingwütigen Frauen ausgesucht. Tom, Helmut, Mario und Stefan sind natürlich reinrassige Knallchargen, für deren komische Wirkung allein schon der Text ausreicht, den Regisseur Luigi Biolzi mit einer gerade richtigen Dosis Lokalkolorit angereichert hat.
Das Männerquartett muss dafür gar nicht extra überdreht auftreten. Ja, sie dürfen auch Grimassen schneiden, aber sie übertreiben nicht.
Sven Herrmann gibt den vermeintlichen Frauenhelden Stefan, der sich schon durch seine unangemessen jugendliche Kleidung und sein immer wieder betontes „ich bin ich!“ als Sieger inszenieren will. Mit Herz zerreiszlig;ender Grandezza gibt Yousef Mostaghim den Mann, der eigentlich an das Gute und die Liebe glaubt, der aber die Unterwäsche seiner Gattin penibel auf eventuelle fremde Spermaspuren untersucht – und die Höschen sogar in Klarsichthüllen abheftet. Die Szene ist einer der Brüller des Abends. Bernd Hagemanns Mario ist eigentlich ein glaubwürdig schlichter – aber bauernschlauer Charakter, der wunderbar treudoof dreinschauen kann, aber doch gerne mit den vermeintlichen Intelligenzbestien im Keller mithalten möchte. Was dann in der bahnbrechenden Erkenntnis gipfelt: „Ich kann auch psychisch sein!“ Peter Laiers Helmut kann das sowieso, dem entfleuchen in seiner ans selbstzerstörerische grenzenden Verzweiflung wahrhaft philosophische Erkenntnisse: „Frauen brauchen keine Hobbys, die haben ein Innenleben!“
Nach und nach kommt heraus, dass in diesem Gewirr von Beziehungen allerhand eheliche Untreue im Spiel ist. Als die gestandenen Kerle von ihren Frauen verlassen werden, vor denen sie eben noch geflüchtet sind, wollen sie sie zurückerobern. Mittels eines ausgeklügelten Plans für den schönsten Shopping-Erlebnistag aller Zeiten. Auch wenn diese plötzliche Umkehr ein wenig an den Haaren herbeigezogen scheint – umgesetzt werden die Vorbereitungen mit absurder Komik: Da nämlich trainieren die Herren in Reih’ und Glied, wie man richtig eindrucksvoll shoppt. Inszeniert als Pantomime kann man die Szene nebenbei noch wie eine Parodie auf militärisches Marschieren lesen. Wie und ob es für diese armseligen Exemplare der Gattung Mann eine Lösung gibt, darf hier selbstredend noch nicht verraten werden. Nur soviel: es bleibt bis zum letzten Moment spannend. Thomas Zimmer
Männerhort
BNN Ettlingen, Dienstag 8. Oktober 2019, Ausgabe Nr. 233
Letzter Zufluchtsort: Der Heizungskeller
Die kleine bühne bereitet sich auf die Premiere der Boulevardkomödie „Männerhort“ vor
Genau so stellt man sich Männer vor: Sie sitzen in einem unaufgeräumten Heizungskeller, trinken Dosenbier und schauen Fußball. An der kahlen Wand hängt ein Kicker-Kalender, auf dem Boden steht der Fernseher, dort läuft Fußball. Dabei lästern Helmut, Tom, Stefan und Mario über ihre Frauen – und vor allem über deren Shopping-Verhalten. So zumindest hat sich der deutsch-isländische Autor Kristof Magnusson das in seinem Stück „Männerhort“ vorgestellt, das 2014 auch als Vorlage für den gleichnamigen Film mit Christoph Maria Herbst und Elyas M’Barek diente. Luigi Biolzi inszeniert das Stück jetzt für die kleine bühne Ettlingen.
Klar spiele die Boulevardkomödie mit allen nur denkbaren Klischees, räumt er ein, „aber ich kann mir vorstellen, dass es Männer gibt, die tatsächlich von ihrer Frau jedes Wochenende in so ein Shopping Center getrieben werden. Ob es ihnen nun passt oder nicht. Das nimmt halt dieses Stück aufs Korn. Wie die Frauen dargestellt werden, ist natürlich völlig überzeichnet.“
Allein – sie treten gar nicht leibhaftig in Erscheinung, werden nur durch die Erzählungen der Männer lebendig. „Man hört die Angst, dass sie diesen ‚Männerkeller’ entdecken könnten.“ Nicht nur das: Im Lauf des Stückes offenbart sich, welch verkrachte Existenzen diese vier „leidenden“ Kerle sind. Sven Hermann spielt die Möchtegern-Führungskraft Stefan. Er hängt immer am Organizer und ist ein notorischer Fremdgänger, erläutert Biolzi. Yousef Mostaghim gibt den Programmierer Tom, „der glaubt, er könnte seine Ehe noch retten“. Bernd Hagemann spielt den Mario, „der ist geistig etwas ‚leichter’ strukturiert“, und Peter Laiers Helmut ist ein Pilot, der seinen Job verloren hat. „Das weiß aber keiner, nicht mal seine Ehefrau, der übernachtet inzwischen schon in dem Männerkeller.“
Wie üblich, hat Biolzi der Inszenierung einige passende Musikstücke verpasst plus einen Schuss echtes und fiktives Lokalkolorit. „Es werden sich einige Geschäfte in diesem Stück wiederfinden, und dann gibt es ein imaginäres Albgau Center und ein Fachgeschäft namens Fashion Point G, das gibt es in Ettlingen auch nicht. Kann aber noch kommen“, schmunzelt er. Auf die Frage, ob eine solche Komödie eher Männer oder Frauen ansprechen, sagt der Regisseur: „Ich habe es nicht auf eine bestimmte Zielgruppe abgesehen, nicht auf Frauen oder Männer. Egal, was man spielt: Jedes Publikum ist anders. Es gibt Stücke mit einem ernsten Hintergrund, und doch lachen manche Leute, obwohl es nichts zu lachen gibt. Und es gibt witzige Stücke, bei denen manche Menschen im Publikum drinsitzen wie Ölgötzen.“ Thomas Zimmer
Willkommen in deinem Leben
BNN Ettlingen, Montag 4. Februar 2019, Ausgabe Nr. 29
„Krieg den Hintern hoch und fang an zu leben“
Erfolgreiche Premiere von „Willkommen im Leben“ / Furioser Auftritt von Eva Frohne in der kleinen bühne
Freude auf die gemeinsame Zukunft
Lange Autofahrten durch die Wüste, ein einsames Motel und ein Duell auf Leben und Tod – die Mythen der populären Kultur Amerikas sind sattsam bekannt. Der Autor Michael McKeever nimmt sie als Ausgangslage für sein Stück „Willkommen in deinem Leben“, das Regisseur Daniel Frenz für die „kleine Bühne“ inszeniert hat. Die Premiere am Samstag hinterließ einen sehr starken Eindruck. Charlie Cox (Sven Herrmann) erfährt vom Arzt, dass er unheilbar krank ist. Er fährt einfach los, nimmt unterwegs den Anhalter Wally (Adrian Müller) mit, der sich als sein Tod in Person entpuppt. Die beiden landen im Motel von Nell Todd (Carmen Steiner). Zwischen dem Todgeweihten und der einsamen Frau entwickelt sich eine zarte Romanze, sehr zum Missfallen von Travis, der ebenfalls in Nell verliebt ist. Dann taucht auch noch Kiki (Eva Frohne) auf, die die Liebe personifiziert. Und damit wird Wally, der eigentlich nur seinen Job bei Charlie schnell durchziehen will, endgültig zum armen Teufel. „Hör endlich auf zu sterben, krieg den Hintern hoch und fang an zu leben“ lautet die strikte Order Kikis, der Charlie mit seiner Nell dann folgt. Diese Geschichte, die gekonnt zwischen Märchen, realistischen Momenten und großen Gefühlen angelegt ist, hat der Autor in eine raffiniert verschachtelte Handlung gepackt. Man erfährt die Vorgeschichte in Rückblenden; hinzu kommt, dass die Protagonisten von Liebe und Tod für die „realen“ Figuren nicht sichtbar sind.
Es ist das Verdienst der Regie von Daniel Frenz, dass er diese verschiedenen Ebenen genau herausgearbeitet hat. Dabei hilft eine sinnvolle Lichtführung (Technik: Berthold Steiner, Matthias Hüther) und auch die Musik passt: Ennio Morricones Soundtrack zum Film „Zwei glorreiche Halunken“ ist die passende Untermalung zu dieser Romanze in der Wüste Arizonas. All diese Elemente ermöglichen dem Ensemble eine geschlossene Präsenz. Carmen Steiner und Sven Herrmann machen das Wechselbad der Gefühle zwischen Verzweiflung und Einsamkeit einerseits und der vorsichtig steigenden Freude auf gemeinsame Zukunft – wie lange sie auch dauern mag – jederzeit nachvollziehbar. Yousef Mostagham rührt als unglücklich Verliebter das Publikum. Bleiben noch der „Tod“ und die „Liebe“. Eva Frohne und Adrian Müller profitieren davon, dass ihnen der Autor die schönsten knochentrockenen Dialogpointen zugedacht hat. Dafür gab es dann, vor allem beim furiosen Auftritt von Eva Frohne, Beifall auf offener Szene, der sich am Schluss zu lang anhaltendem, völlig verdienten Applaus steigerte. Henner Klusch
Willkommen in deinem Leben
BNN Ettlingen, Samstag 26. Januar 2019, Ausgabe Nr. 22
Ein sehr dichtes und intensives Stück
Die kleine bühne inszeniert „Willkommen in deinem Leben“ von Michael McKeever / Premiere ist am 2. Februar
Letzte Aufführung mit Eva Frohne?
Charlie Cox, der so gerne Schriftsteller geworden wäre und sich jetzt als Lektor bedauert, erfährt von seinem Arzt, dass er unheilbar krank ist: Das „Lou-Gehrig-Syndrom“ legt die Muskulatur und die Steuerung lebenswichtiger Organe lahm. Charlie bricht alle Brücken hinter sich ab und setzt sich ins Auto. Unterwegs nimmt er einen Anhalter namens Wally mit, der alles über ihn weiß. Schnell stellt sich Wallys besondere Nähe zu Charlie heraus: Er ist sein persönlicher „Tod“, der für den geregelten Übergang ins Jenseits verantwortlich ist. Das ist die vermutlich verwirrend klingende Ausgangslage des Stückes „Willkommen in deinem Leben“ von Michael McKeever, das am 2. Februar in der „kleinen bühne“ Premiere hat.
Für Regisseur Daniel Frenz ist dies die zweite Begegnung mit dem amerikanischen Autor, der in Florida lebt und arbeitet: „Ich habe vor Jahren schon ‚Blinde Rache‘ von ihm inszeniert. Ich finde ihn als zeitgenössischen amerikanischen Autor sehr gut, weil er sehr dichte und intensive Stücke schreibt, die einen ernsten Hintergrund haben, aber auch sehr komisch sein können.“ Michael McKeever ordnet sein Stück als „Tragikomödie“ ein, Regisseur Daniel Frenz findet, dass sich tragische und komische Elemente durchaus die Waage halten.
Zurück zum Stück: Zunächst ist Charlie Fox (Sven Herrmann) von der Existenz seines persönlichen Todes gar nicht überzeugt: „Du müsstest eigentlich eine schwarze Kutte tragen und eine Sense mit dir führen.“ Aber Wally (Adrian Müller) im langen Mantel und mit dämonischer Halbmaske kontert ganz cool: „Du hast wohl zu viel Filme von Ingmar Bergman gesehen.“ Damit ist auch das geklärt.
Wegen einer Autopanne stranden Charlie und Wally im Motel „Hidden Oasis“, das die verwitwete Nell (Carmen Steiner) unter dem besorgten Blick ihres väterlichen Freundes Travis (Yousef Mostaghim) führt.
Zwischen Charlie und Nell entbrennt eine zarte Romanze. Das erschwert natürlich Wallys Job. Als auch noch Kiki (Eva Frohne) als personifizierte Liebe auftaucht, hat er endgültig schlechte Karten. Die große Herausforderung für die Regie liegt hier natürlich in der raffinierten Konstruktion der Vorlage. Wally, der personifizierte Tod, ist für die anderen – ausgenommen Charlie – unsichtbar; aber gleichwohl in die pointierten Dialoge eingebunden. Viele Teile der Handlung werden auch als Rückblick erzählt, was eine präzise Licht- und Tonregie erfordert. Dennoch ist Regisseur Daniel Frenz zwei Wochen vor der Premiere beim Probenbesuch sehr entspannt und muss nur ein paar Kleinigkeiten korrigieren. Wie das Stück ausgeht, soll natürlich nicht verraten werden. Aber für ein Ensemblemitglied könnte die Premiere das Finale bedeuten. Eva Frohne, mit über achtzig Jahren immer noch gut persönlich und auf der Bühne unterwegs, hat ihren Rücktritt erklärt. Daniel Frenz nimmt das noch nicht so hin: „Ein Comeback ist immer möglich.“ Henner Klusch
Zartbitter
BNN Ettlingen, Montag 22. Oktober 2018, Ausgabe Nr. 244
Gezuckerter Schlagabtausch bis der Kragen platzt
Bravo-Rufe bei Komödien-Premiere „Zartbitter“ / Klischees auf der kleinen bühne durch den Kakao gezogen
Im Süßwarengeschäft herrscht dicke Luft: Samantha Smith und Tom Jones, Experten für exquisite Pralinen, rühren wild Schokoladenmasse, ihr Gesichtsausdruck spricht Bände, die Worte fliegen nur so hin und her. Zwei streitbare Figuren, viel Schokolade, ein Handy, das Rätsel aufgibt, und mehr als eine überraschende Wendung stehen im Mittelpunkt der neuen Inszenierung der „kleinen bühne“ Ettlingen. „Zartbitter“ von Autor Lars Lienen feierte am Samstagabend erfolgreich Premiere. Mit Bravo-Rufen und großem Applaus honorierte das Publikum die „bissig-böse“ und höchst amüsante Komödie, die Regisseur Werner Kern mit den Darstellern Carmen Steiner und Daniel Frenz auf die Bühne brachte.
Samantha oder Sam und Tom sind Chocolatiers, die sich mal mögen, mal hassen – zwei sehr gegensätzliche Charaktere, die in der Küche von „Picard's“ auf engem Raum zusammenarbeiten müssen. Sam hat mit ihren Kreationen dafür gesorgt, dass der Laden brummt. Nun will die Inhaberin eine Verstärkung einstellen. Was Sam gar nicht begrüßt, ist sie doch überzeugt, dass es keiner so gut kann wie sie selbst. Entsprechend schnell will sie auch den nächsten neuen Kollegen Tom wieder hinausekeln. „Nach den ganzen Möchtegern-Chocolatiers jetzt noch ein Nachwuchskomiker“, stöhnt sie. „Sie ist gut, sie führt sich nur auf wie Attila, der Hunne“, meint er. Zum Vergnügen des Publikums fliegen die Fetzen und auch das eine oder andere deutliche Schimpfwort. Mehr Figuren benötigt das Stück gar nicht, im Verborgenen bleibt Küchenhilfe Marie, der die zwei mitunter ihr Leid klagen. Carmen Steiner gibt die Sam als liebenswerte Kratzbürste mit weichem Kern. Daniel Frenz spielt den Tom als charmanten Spaßvogel mit nachdenklicher Seite, der ihr den Wind aus den Segeln nimmt, bis ihm doch der Kragen platzt. Sie diskutieren, lachen, singen, tanzen, sinnieren über die „Lebensautobahn“ und ihre Stationen Karriere, Ehe, Kinder, oder über das Leben in einer fremden Stadt, wo man jeden Tag neu auf der Suche ist.
Nach diversen Wortgefechten erkennen die beiden, dass der andere doch gar nicht so verkehrt ist. „Er ist vielleicht ein Idiot, aber einer, der gute Schokolade macht“, sagt Sam.
„Die Löwin wurde gezähmt mit Chilischokolade“, sagt Tom. Indes währt der Friede nur kurz, nämlich bis Sam erfährt, dass Tom homosexuell ist. Dies bringt sie gleich wieder auf die Palme, fürchtet sie doch nun Männer in Lack und Leder im Laden und „jeden Tag Christopher Street Day“ in der Küche. So ziemlich alle Klischees werden im wahrsten Sinne des Wortes durch den Kakao gezogen. Und das bleibt nicht die letzte überraschende Wendung. Denn während die beiden sich nach allen Regeln der Kunst zoffen, ahnen sie noch nicht, welcher Knalleffekt ihnen als nächstes bevorsteht. Holger Schorb
Zartbitter
BNN Ettlingen, Mittwoch 10. Oktober 2018, Ausgabe Nr. 234
Gefallen an Stücken rund ums Essen
Mit „Zartbitter“ hat kleine bühne eine weitere Eigenproduktion einstudiert / Werner Kern führt Regie
Bei der „kleinen Bühne“ hat man offensichtlich Gefallen an Stücken gefunden, bei denen es ums Essen geht. In der letzten Spielzeit gab es bei „Dänische Delikatessen“ Huhn in Marinade. Nun ist Schokolade angesagt. „Zartbitter“ heißt die Komödie des Autors Lars Lienen, die in der Werkstatt eines Süßwarengeschäftes angesiedelt ist. Dabei geht es aber über weite Strecken gar nicht „süß“ zu, sondern ausgesprochen bissig, aber immer höchst unterhaltsam.
Einige Tage vor der Premiere ist Regisseur Werner Kern ausgesprochen entspannt. Die Inszenierung steht, so kann man sie durchlaufen lassen. Dabei macht sich Kern, der nach längerer berufsbedingter Auszeit wieder an die „kleine bühne“ zurückgekehrt ist, ein paar wenige Notizen, die er dann in der Pause mit seinen beiden Akteuren besprechen wird. An der Vorlage schätzt er vor allem eines: „Man weiß nicht so recht, wo es hinläuft, der Zuschauer muss sich einfach vor der Handlung tragen lassen.“ Der Einschätzung muss nach dem Probeneindruck unbedingt zugestimmt werden: Kaum ein Theaterbesucher wird in der Pause eine Ahnung haben, wie und in welcher Form das Stück „happy“ endet.
Denn bis dahin hat die Handlung schon einige tollkühne Volten geschlagen. Samantha (Carmen Steiner) ist Chocolatière, also beruflich mit der Herstellung von kalorienreichen süßen Verführungen beschäftigt. Weil dank ihrer extravaganten Kreationen der Laden gut läuft, bekommt sie mit Tom (Daniel Frenz) einen zweiten Chocolatier zur Seite gestellt. Sie sieht da eher eine unliebsame Konkurrenz und möchte den Kollegen hinausekeln. Das gibt die Gelegenheit für diverse pointenreiche Wortgefechte. Aber mit seiner selbst gemachten Chili-Schokolade überzeugt Tom die kratzbürstige Samantha, dabei lässt das ausdrucksstarke Mienenspiel Carmen Steiners beim Probieren dem Zuschauer schon das Wasser im Munde zusammenlaufen. So steht einer guten Zusammenarbeit auf kalorischer Basis eigentlich nichts mehr im Wege, denn bei sind sich einig: „Liebe ist die einzige Sache, die schöner ist als Schokolade“. Dazu singen die beiden dann ein Lied von Cole Porter.
Aber mit der Liebe ist das so eine Sache, denn Tom steht auf Männer. Das bringt Samantha zurück auf die Palme: „Ich bin tolerant, ich habe nichts gegen Schwule, aber sie sind die Pest in jeder Stadt.“ Tom lässt sich da aber keineswegs einschüchtern und bescheinigt Samantha, dass sie sich aufführe wie Attila der Hunne und das Temperament von Josef Stalin habe. Aber dann wird durch ein vergessenes Handy alles noch viel komplizierter. Aber das soll hier natürlich nicht vorweggenommen werden. Henner Klusch
Tratsch im Treppenhaus
BNN Ettlingen, Montag 1. Oktober 2018, Ausgabe Nr. 227
Gerüchteküche im Treppenhaus
Gefeierte Premiere: Komödie der kleinen Bühne besticht durch lebendige Rollen
Ettlingen. Kurz nach 20 Uhr schwingt im ausverkauften Theatersaal der Vorhang zur Seite und gibt den Blick frei in ein Treppenhaus. Jene Durchgangstation der flüchtigen Begegnungen in Mietshäusern, die jeder schnell hinter sich bringen will. Das aber ist das Revier von Frau Maisch, die den häuslichen Verkehrskotenpunkt als ihre persönliche Nachrichtenzentrale benutzt. Es ist für die nächsten zwei Stunden der Schauplatz von „Tratsch im Treppenhaus“, einer sehr sehenswerten Ensembleleistung der kleinen Bühne Ettlingen &150; allen voran Monika Hertrampf im geblümten Kleiderschurz als Frau Maisch. Wie sie wahlweise servil-unterwürfig tut, um dann im nächsten Moment auftrumpfend und gestikulierend das Netz ihrer Intrigen um ihre Hausnachbarn zu spinnen, haftet ihr schnell das Etikett „Giftspritze“ an. Ihr Ziel sind die geduldige und mit Langmut ausgestattete Frau Weber (Doris Pommerening), die die Anbiederungen schnell durchschaut und sich ebenbürtige Dialoge mit der Maisch liefert: „Können Sie schweigen Frau Maisch?“ „Ja!“ „Ich auch!“ oder Peter Laiers Herr Tschornitz, der realitätsnah den pensionierten Steuerinspektor und Vorsitzenden des Vereins reinrassiger Chinchilla-Kaninchen mimt. Männlich-dünkelhaft fragt er: „Ich als Beamter soll die Treppe putzen?“ Aber nicht nur er durchläuft eine Verwandlung.
Zwei neue jugendliche Untermieter im zeitgemäßen Hipster-Outfit, Julia Lumpp als Silke Grasser mit Hornbrille und Lukas Buck als Markus Tschornitz mit engen Hochwasserhosen erregen natürlich die Aufmerksamkeit von Frau Maisch. Die muss schnell dem Eigentümer Herrn Lauinger (Markus May) Bericht erstatten. May, mit Schaumstoff ausgepolstert, verkörpert mit preußisch-berlinischem Tonfall authentisch den Metzger, der der Damenwelt neben Blümchen auch gern Wurstpräsente überreicht. Herr Lauinger schwankt zwischen Härte und Weichheit. Als noch der Autohändler Herr Grasser, ein jugendlicher Senior im verspielten „Mille-Voiture“-Hemd auftritt, gespielt von Sven Herrmann, ist Frau Maisch vollends verwirrt. Sie glaubt, es handele sich um einen Kriminalbeamten. „Nun sag ich gar nichts mehr!“ sind denn auch Frau Maischs Schlussworte. Allein, man will es nicht so recht glauben.
Die Zuschauer sind restlos begeistert: So stellt Horst Ettl mit Freundin fest, dass das Ensemble sich mit den Rollen absolut indentifiziert und über sich hinauswächst. Ja, die eine oder andere Profibühne könnte sich sogar eine Scheibe abschneiden.
Der Regisseur Bernd Hagemann, mit Regieerfahrung von den Volksschauspielen Ötigheim, wollte eine zeitlose und vor allem silvestertaugliche Komödie inszenieren. Viele Rollen sind doppelt besetzt, denn so kommt jedes Ensemblemitglied mal zum Zug. Auch Regina Penderock, Beate Brombacher-Müller und Matthias Hüther werden in den weiteren Vorstellungen spielen. Bei Gulasch- und Kürbissuppe und einem Glas Sekt im Anschluss findet die rundum gelungene Premiere ihren Ausklang. Jürgen Hotz
Tratsch im Treppenhaus
BNN Ettlingen, Dienstag 25. September 2018, Ausgabe Nr. 222
Wer tratscht nicht gerne im Treppenhaus?
Neue Eigeninszenierung der kleinen bühne Ettlingen hat Premiere / Komödie mit Lokalkolorit
Vor dem Eingang des Souterrains des Eichendorff-Gymnasium, wo die kleine bühne Ettlingen ihr Domizil hat, steht ein Schauspieler und memoriert seinen Text. Blauer Marker hebt seine Zeilen im Textbuch hervor. Es ist noch eine halbe Stunde hin bis zum Probenbeginn des Schauspiels „Tratsch im Treppenhaus“ von Jens Exler, das am 24. April 1960 Premiere an der Niederdeutschen Bühne Flensburg gehabt hatte und ab Januar 1962 vom Ohnsorg Theater Hamburg gespielt wurde. Das ist lange her, weshalb Regisseur Bernd Hagemann das Stück in der aktuellen Bearbeitung von Florian Battermann inszeniert. Mehr noch: Durch die Festlegung neuer Namen für die Charaktere, die den Ettlinger Zuschauern recht bekannt vorkommen dürften, erhält die Komödie feinen Lokalkolorit.
Nach und nach treffen immer mehr Schauspieler im Theater ein, kommen aus ihrem realen Leben und schlüpfen hinter der Bühne in ein anderes Ich. Wenn sie nicht gerade „Frau Maisch“ oder „Herr Tschornitz“ sind, arbeiten sie als Lehrer, im Hotelfach, beim Jugendamt oder als Architekt. „Theaterspielen als Hobby ist sehr zeitintensiv, für weitere Freizeitbetätigungen fehlt dann meist die Zeit“ sagt Carmen Steiner, die Vorsitzende des Amateurtheaters und zeigt den Probenplan. „Seit April wird geprobt, jeweils zweimal pro Woche.“ Jetzt, wenige Tage vor der Premiere, findet der Durchlauf des kompletten Stückes mit allen Darstellern statt – im Kostüm.
„Das Ensemble entwickelt die Kostüme gemeinsam. Beim Tratsch-Stück sind wir in der Jetzt-Zeit, und jeder bringt seine eigenen Anziehsachen mit, denn unser Fundus ist eher klein. Je nach Epoche, in der die Stücke spielen, können wir auch auf die Ausstattung der Volksschauspiele Ötigheim zurückgreifen,“ so Carmen Steiner weiter „und falls alle Stränge reißen, können ein paar von uns noch nähen.“
Der Vorhang hebt sich, die Probe beginnt. Der komödienerfahrene Zuschauer blickt in ein Treppenhaus mit vielen Türen und ahnt schon den kommenden Reigen, der sich in dieser Kammer der sozialen Verdichtung zutragen wird. Das Bühnenbild mit aufwendig geschreinerter Treppe wurde in Eigenregie von den Vereinsmitgliedern Berthold Steiner, Stefan Dembinski und Moritz Schneider entworfen und ausgeführt.
Das Ensemble ist gut aufgelegt, und bald fliegen die Pointen wie Bälle hin und her. Vorsorglich sind 17 Vorstellungen angesetzt, fünf mehr als im Regelfall. Pro Vorstellung sind 71 Plätze verfügbar, die um maximal zehn Stühle erhöht werden können. Bei der zu erwartenden großen Resonanz des Stückes möchte die „Intendanz“ der kleinen bühne auf Nummer sicher gehen. Tatsächlich mussten bei den Publikumsrennern in der Vergangenheit schon mal Zuschauer wieder heimgeschickt werden, weil die Vorstellungen restlos ausverkauft waren.
Das Ensemble ist auf Betriebstemperatur, die Bühnentechnik funktioniert auf den Punkt genau. Das feine Ohr hört bald heraus, dass die Schauspieler ihrerseits ihre eigenen Dialekte mit ins Stück einbringen und so für linguistische Vielfalt sorgen – zum höheren Amüsement des Zuschauers. Jürgen Hotz
—  2017 / 2018  —
Dänische Delikatessen
BNN Ettlingen, Montag 26. Februar 2018, Ausgabe Nr. 47
Viele Anlässe für Schmunzler und laute Lacher
Stück „Dänische Delikatessen“ hatte Premiere an der kleinen bühne in Ettlingen / Euphorischer Beifall des Publikums
Svend und Bjarne eröffnen endlich ihre eigene Metzgerei. Nach einigen Startschwierigkeiten wird die Spezialität „Huhn in Marinade“ zum Verkaufsschlager. Aber ist das wirklich Huhn, was da verarbeitet wurde? Darum geht es in der schwarzen Komödie „Dänische Delikatessen“, die am Samstagabend in der kleinen bühne Premiere hatte.
Zwei Stunden lang lässt Regisseur Daniel Frenz die Puppen tanzen: Timing und Tempo stimmen, das flexible Bühnenbild wechselt ständig unfallfrei, wie auch die Darsteller in zahlreiche Rollen, Kleider und Perücken schlüpfen. Im Mittelpunkt agieren Yousef Mosthagim als Svend und Matthias Hüther als Bjarne. Mostaghim spielt den Svend als selbstverliebten, aufbrausenden und zunehmend skrupellosen Geschäftsmann, weswegen Konflikte mit seinem Geschäftspartner Bjarne vorprogrammiert sind. Hüthers Bjarne ist als unsichere, komplexbeladene Figur angelegt, die nach dem Tod seiner Frau ein isoliertes, misanthropisches Leben führt. Es ist die klassische Rolle eines Entwurzelten, der vom Opfer zum Täter wird. Carmen Steiner hat in ihrer Doppelrolle eine delikate Aufgabe: Als Svends Freundin Tina versucht sie, diesem Fleischer-Despoten Einhalt zu gebieten, als Bjarnes werdende Freundin Astrid will sie diesen verzweifelten Mann retten. Ein ziemlich cleverer Besetzungscoup.
Überhaupt erfreuen einige gute Regie-Ideen im Detail: Da sind zum einen die durchweg fröhlichen dänischen Schlager, die den ans Gruslige grenzenden Humor des Stückes aufs Wunderbarste konterkarieren. Da ist die Szene, in der auf der einen Seite der Bühne die beiden Metzger lautstark streiten, während die eben noch durcheinander schreiende wartende Kundschaft auf der anderen Seite der Bühne als Standbild eingefroren wird.
Viele Anlässe für Schmunzler und laute Lacher bieten auch die weiteren Figuren: Allen voran Regina Penderock, die mit Vollbart camoufliert den widerlichen Metzgerei-Konkurrenten Holgersson gibt – als wunderbar übertriebene Knallcharge. Lukas Buck spielt Bjarnes geistig behinderten Bruder Aigil mit kindlichem Charme und wirkt wie eine Lichtgestalt in diesem Fegefeuer menschlicher Abgründe. Weitere bunte bis schrille Farbtupfer liefern Meta Kiefer Klenk als gestrenge Krankenschwester, Ekhart Kalytta als angetrunkener Handwerker und Markus May als unglaubliche Grimassen schneidender Immobilienmakler.
Monika Hertrampf spielt mit Riesenschnurrbart und Modern Talking im überlauten Kopfhörer einen Elektriker, Adrian Müller überzeugt als ein in seine eigene Schönheit verliebter Fernsehjournalist und Doris Pommerenning ist eine blauhaarige Kundin, die sich zudem in einer weiteren Rolle als schmachtende Bjarne-Verehrerin überzeugend lächerlich macht. Wie schon oft bei Komödien an der kleine bühne überzeugt auch und vor allem das Ensemblespiel – wofür das Publikum mit euphorischem Beifall dankt. tz
Dänische Delikatessen
BNN Ettlingen, Mittwoch 7. Februar 2018, Ausgabe Nr. 31
Das Geheimnis des marinierten Huhns
„Dänische Delikatessen“ ist die neue Eigenproduktion der kleinen bühne Ettlingen / Premiere ist am 24. Februar
„Mir wäre es dann wichtig, dass ihr mit Tempo einsteigt, Präsenz und mit Power“, sagt Regisseur Daniel Frenz. Er probt derzeit mit dem Ensemble der kleinen bühne Ettlingen „Dänische Delikatessen“. Es erklingt die Ansage fürs Publikum aus der Konserve – stilecht auf Dänisch zunächst: „Kære damer og herrer, velkommen til det lille stadium ettlingen“ (Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen in der kleinen bühne Ettlingen). Dann geht es los und es hat die gewünschte Power. Die braucht die schrille Komödie in der Tat, denn hier geht es um die Wurst und ein Geheimnis.
Svend und Bjarne, zwei sympathische Verlierertypen, eröffnen in dem Theaterstück nach dem gleichnamigen Erfolgsfilm von Thomas Jensen aus dem Jahr 2003 endlich ihre eigene Metzgerei. Ein schickes Schild hat der Laden schon, Visitenkarten mit goldenen Schweineköpfen sind gedruckt, und die selbst gebratenen Buletten duften als Probierhappen auf der Theke. Allein die Kundschaft bleibt zunächst aus – bis die Spezialität „Huhn in Marinade“ zum Verkaufsschlager wird. Aber was ist da wohl drin? Das wird natürlich nicht vorab verraten; dass es eine schwarze Komödie ist, die auf morbiden Humor setzt, allerdings schon. Es muss ja nicht immer Boulevardkomödie sein, meint Frenz. Aber wie in diesem Genre geht es auch hier um familiäre Verwicklungen: „Bjarnes Bruder liegt nach einem Autounfall im Koma, und wenn der stirbt, wäre Bjarne der Alleinerbe. Also geht er ins Krankenhaus und will, dass die Maschinen abgestellt werden“, verrät der Regisseur […]
Lustig klingt […] die Musik, die Frenz für das Stück ausgesucht hat: „Typisch dänische Schlager. Nicht solche Sachen wie Gitte Haenning, die hier eh jeder kennt“, erklärt er. 19 Szenen gibt es, das Stück wird auf offener Bühne gespielt. Das bedeutet, das Bühnenbild wechselt ständig im Dunkeln, während eine „Zwischenmusik“ läuft.
„Wir haben die Verkaufsfläche, den Kühlraum, das Krankenhaus, den Friedhof“, erklärt Frenz. Das Ensemble ist zudem ständig in Bewegung, 21 Rollen werden von elf Darstellern gespielt. Die müssen sich ständig umziehen. „Ich finde das gut, wenn die Leute auch hinter [der] Bühne was zu tun haben“, meint der Regisseur. Thomas Zimmer