Allgemein
BNN Ettlingen, Freitag 21. August 2020, Ausgabe Nr. 193
Theater in Wartestellung
Die kleine bühne Ettlingen nimmt den Probebetrieb vorsichtig wieder auf
Man sieht es auf den ersten Blick, wenn man die Räume der
kleinen bühne Ettlingen betritt: Hier wird nicht geprobt, hier wird nicht gespielt.
Das Bühnenbild ist abgebaut, die Fenster geöffnet, um Durchzug zu ermöglichen.
So kann man sich mit den Theatermachern unter Corona-Bedingungen unterhalten.
Über das, was nicht stattfindet: Zwei Komödien und eine Tragikomödie, die von
Oktober bis April 2021 auf dem Programm gestanden hätten, und über das, was bald
wieder stattfindet: Theaterarbeit in kleinen Gruppen.
Die Proben für die Stücke, die wir im Herbst spielen
wollten, hätten Ende März angefangen. Also genau zu dem Zeitpunkt, als nichts mehr
ging. Für die drei Stücke war also keine einzige Probe möglich, sagt
Carmen Steiner, Ensemblemitglied und Vorsitzende der kleinen bühne. Als klar
war, dass wir erstmal nichts machen dürfen, habe ich alles beiseite gelegt.
Manche halten aber trotz Absage des Programms ihren Text warm.
Erst seit dem 1. Juli war eine Nutzung der Theaterräume
wieder unter Einhaltung der Hygieneregeln möglich. Aber wie soll
man Stücke spielen und proben, in denen es menschelt, wenn ein Mindestabstand
der Akteure von mindestens 1,5 Metern verlangt wird? Wir haben 71
Zuschauerplätze, aber aufgrund der Abstandsregeln dürften wir nur 15 Zuschauer
reinlassen, erläutert Regisseur Luigi Biolzi, der allerdings nicht versteht,
warum man als angemeldete Gruppe von 20 Leuten zusammensitzen kann.
Unter diesen Bedingungen verzichten die engagierten Amateure lieber auf den möglichen,
eingeschränkten Spielbetrieb. Zumal weder die Darsteller noch das Theater als solches
finanziell bedroht sind. Wir sind nicht klamm. Im Gegensatz zu anderen Vereinen
geht es uns noch gut, sagt Biolzi. Alle Aktiven ob auf oder hinter der
Bühne arbeiten ehrenamtlich. Finanziert werden muss lediglich die Miete für
die Spielstätte und ein zusätzliches Lager. Die beiden vergangenen Spielzeiten
sind sehr gut gelaufen, sodass wir ein kleines Polster ansparen konnten, was bis
zu einer bestimmten Grenze erlaubt ist wegen der Gemeinnützigkeit,
bilanziert Carmen Steiner. Das würde reichen wenn die Situation wie jetzt
nicht jahrelang andauert. Allerdings sind geplante Investitionen wie
etwa die Erneuerung der zerschlissenen schwarzen Bühnenvorhänge einstweilen
auf die lange Bank geschoben: Wir wollen aber wieder investieren, warten jetzt
erst einmal ab, und entscheiden dann. Wir müssten eh in der Mitgliederversammlung
abstimmen, die wir nicht abhalten konnten, erklärt Carmen Steiner.
Daniel Frenz, der sowohl Regie führt als auch als Schauspieler
auf der Bühne zu sehen ist, ist von der Situation hörbar frustriert. Ich finde
es schwer zu ertragen, dass nichts geht. Und wenn dann noch leichte Hoffnungen
wieder zerschlagen wurden, das macht mich kirre. Immerhin, das Trio hat
beschlossen, dass man sich ab Ende August in kleinen Gruppen treffen wird, um so
Luigi Biolzi ein bisschen was auf die Beine zu stellen. Mit
dem Gedanken: Was geprobt wird, soll nicht für umsonst gewesen sein. Entweder gibt
es Schauspieltraining, um das Handwerk zu verbessern, oder eben Proben, mit dem Ziel,
dass das in ein Stück münden könnte. Wenn es soweit ist, könnten wir an die
Öffentlichkeit gehen. Sonst fehlt ein bisschen die Motivation.
Zum einen habe ich eine Schauspielausbildung gemacht
und hätte das gerne weitergegeben. Es gibt ja auch viele sinnvolle Einzelübungen,
die man mit Mindestabstand machen könnte, sagt Daniel Frenz. Wir können
theoretischen Input liefern, den wir an bestimmte Übungen koppeln. Luigi Biolzi
hätte für kommende Proben etwas in petto: Ein Art komödiantisches Kabarett, das
könnte ich mit vier Personen machen, wobei immer nur zwei oder drei gleichzeitig auf
der Bühne sind. Thomas Zimmer
Amber Hall
BNN Ettlingen, Dienstag 25. Februar 2020, Ausgabe Nr. 46
Spannung im Herrenhaus
Stück Amber Hall sorgt für Grusel mit vielen Facetten
Die Schwestern Alanna und Emily haben von ihrer Tante Laura
eine großes Vermögen geerbt. Davon haben sie mit Hilfe ihrer Anwältin Faith Tigh das
hochherrschaftliche Anwesen Amber Hall gekauft, den vermeintlichen Schlüssel zum Glück.
Am vergangenen Samstag öffnete sich in der Kleinen Bühne der Vorhang zur Premiere des
gleichnamigen Stücks von Lars Lienen und führte die Zuschauer direkt ins Wohnzimmer
des Herrenhauses.
Von da an beginnt ein Drama, das die beteiligten Figuren abwechselnd
in Angst, Verzweiflung, und Wahnideen treibt. Text und Inszenierung lassen lange offen,
wer verrückt, wer normal, wer Opfer und wer Täter ist. Carmen Steiner spielt in überzeugender
Zerrissenheit die verängstigte Emily, die glaubt, von spukenden Geistern heimgesucht zu
werden. Doris Pommerening als Alanna fällt die Rolle zu, die zwischen Freude und Verunsicherung
schwankt. Einerseits will sie um jeden Preis den neu gewonnen Reichtum genießen, andererseits
verzweifelt sie am rätselhaften Verhalten ihrer Schwester. Unterdessen versucht die
Rechtsanwältin Faith Tight von Elisabeth Görtz als Stimme der Vernunft gespielt
mehr über die Geschichte des Hauses und die Schicksale seiner Bewohner herauszufinden. Das
mag etwas langatmig wirken, erhöht aber auch die Spannung.
Gruselige Geschichten können leicht eine unfreiwillige Komik entwickeln,
hat Regisseur Daniel Frenz während der Proben gesagt. Er setzt stattdessen ganz bewusste auf
Komik durch Übertreibung: Indem er Monika Hertrampf ihre Haushälterin Sonia Milani so überzogen
spielen lässt, dass fast jeder ihrer Sätze Lacher hervorruft. Weil selbst die harmloseste
Äußerung wie ein Fluch klingt. Dagegen wirkt Meta Kiefer-Klenk als Köchin Marie geradezu
gutbürgerlich-normal. Dass auch sie mehr weiß, als sie sagt, wird durch ihr geradezu zwanghaftes
zurechtrücken der Sofakissen angedeutet. Die Inszenierung stellt so den Zuschauer zunehmend
vor die Frage: Wer ist hier die Böse? Keine? Alle?
Diese Fragen können und dürfen selbstredend hier nicht beantwortet werden.
Soviel sei aber verraten: Sie werden erst kurz vor Schluss beantwortet. Zur Atmosphäre der
Inszenierung tragen die bewährten Tricks bei, die auch stet’s in Genrefilmen eingesetzt werden:
Drohende Musik, Soundeffekte und das Spiel mit dem Licht und den Farben. Das beschränkt sich
nicht nur auf hell und dunkel, sondern beginnt schon damit, dass die Bühnen fast durchgehend
in kaltes Licht getaucht ist. Was einen augenfälligen Gegensatz zu dem symbolisiert, was man
in einem solchen Herrenhaus eigentlich erwartet: Gemütlichkeit, im besten Fall auch Geborgenheit.
Allein schon das sorgt bei den Zuschauern für ein Gänsehaut garantiert-Gefühl.
Thomas Zimmer
Amber Hall
BNN Ettlingen, Donnerstag 20. Februar 2020, Ausgabe Nr. 42
Zwei Schwestern im verwunschenen Haus
Premierenfieber: Die kleine bühne Ettlingen spielt
Amber Hall mit Gruseleffekt ab 22. Februar
Alanna und Emily könnte es eigentlich wieder prima gehen
nach den schweren Schicksalsschlägen, die sie verkraften mussten. Ihre Eltern
sind gestorben, aber nun haben sie von ihrer ihnen bis dato unbekannten Tante
Laura ein großes Vermögen geerbt. Davon haben sie mit Hilfe ihrer Anwältin
Faith Tigh (Elisabeth Görtz) das hochherrschaftliche Anwesen Amber Hall gekauft.
Das gleichnamige Theaterstück von Lars Lienen, das die kleine bühne Ettlingen
als nächste eigene Inszenierung präsentiert, beginnt mit dem Einzug der zwei
Frauen in die prunkvolle Villa. Der Zuschauer merkt sehr schnell, dass etwas
nicht stimmt. Zuerst wundern sich Emily (Carmen Steiner) und Alanna (Doris Pommerening)
darüber, dass sie offenbar Personal mit eingekauft haben: Marie (Meta Kiefer-Klenk)
und Sonia Milani (Monika Hertrampf) verhalten sich vom ersten Moment an merkwürdig,
und dann geht auch noch das Licht aus.
Nachdem Zartbitter, eine bissige Komödie des
Düsseldorfer Autors, Regisseurs und Schauspielers Lars Lienen bereits ein
Überraschungserfolg geworden war, griff Regisseur Daniel Frenz erneut zu. Ich
fand, dass er gut schreibt, und habe mir von ihm noch andere Stücke kommen lassen,
unter anderem eben das. Ein gewisser Gruseleffekt durchzieht das Stück, das
Frenz als Mysterytheater bezeichnet. Vom Subgenre ist es eine Haunted House
Geschichte. Der Reiz lag darin, eine Geschichte zu machen, die keine Komödie ist.
Amber Hall steht in einer Reihe mit im weitesten Sinne dunkleren Stücken
der vergangenen Jahre wie Stephen Kings Misery, der sehr schwarzen Komödie
Dänische Delikatessen oder dem Thriller Seelenbrecher, die
das Spektrum der kleinen bühne erweiterten. Es ist ja auch schön für die
Schauspieler, wenn die mal was anderes spielen können als eine Komödie. Das ist immer
interessant und auch eine Herausforderung. Das macht Spaß, und deswegen machen wir es auch.
Bei der Auswahl der Stücke achten die Regisseure auch darauf,
innerhalb einer Spielzeit möglichst viele Ensemble-Mitglieder auf die Bühne zu bringen.
Nachdem in der Komödie Männerhort ausschließlich Männer spielten, sind es
in Amber Hall fünf Frauen.Das Stück ist in der Gegenwart angesiedelt, das Bühnenbild
zeigt eine dezent vornehme, aber nicht überladen protzige Einrichtung, zur Atmosphäre
tragen gezielt eingesetzte Geräusche und Soundeffekte bei. Den Text hat Daniel Frenz
eins zu eins übernommen, aber bei der Darstellung Akzente gesetzt, wobei
ich mit der Gefahr, dass es unfreiwillig komisch wird, schon ein bisschen gespielt habe.
Es gibt Szenen, in denen ich mit Absicht bei ein paar Figuren in die Übertreibung gehe.
Das ist aber nicht unfreiwillig komisch, sondern ist schon überzogen. So, wie wenn man
sich einen alten Frankenstein-Film aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
anschaut: Wie die da so gucken, so etwas haben wir hier zum Teil auch drin. Man bedient
da schon bestimmte Klischees. Das bietet sich an. Thomas Zimmer
Kunst
BNN Ettlingen, Montag 04. November 2019, Ausgabe Nr. 255
Kunst kommt von Konfrontation
Ausverkaufte Premiere von Yasmina Rezas Stück
Kunst in der kleinen bühne ettlingen
Für diese Scheiße hast du 200 000 bezahlt?!
Noch läuft die Premiere von Yasmina Rezas Dreipersonenstück Kunst nur
ein paar Minuten, als die blendend aufgelegten Schauspieler Adrian Müller (Serge) und
Matthias Hüther (Marc), im Dialog den ersten Eklat des dramatischen Stückes liefern.
Was noch 1919 mit Kasimir Malewitschs suprematistischem Gemälde Weißes
Quadrat auf weißem Grund der avantgardistischen Moderne einen Höhepunkt
lieferte, führt 100 Jahre später weiße Querstreifen auf weißem
Grund, es ist ein Andrios! in postmodernen Zeiten zu einem Tiefpunkt in der
Freundschaft zwischen Freunden.
Serge, ein Dermatologe, der von seiner Frau Françoise getrennt
lebt und die Kinder nur am Wochenende sieht, hat das Gemälde erworben und zeigt es Marc,
der in der Aeronautik-Branche arbeitet und mit Paula zusammen ist. Marc steigert sich
regelrecht hinein, regt sich darüber auf, wie Serge, der keine Ahnung habe, das
Gemälde habe kaufen können, der wiederum völlig humorlos darauf reagiert.
War denn Serge nicht eigentlich sein alter ikonoklastischer
Kumpel, mit dem man Spaß haben kann? Yvan (Lukas Buck) muss jetzt her! Yvan, der
Dritte im Bund der Freunde, der kurz vor der Hochzeit mit Catherine steht. Yvan, der von der
Textil- in die Papierbranche gewechselt ist und in allerlei Abhängigkeitsverhältnissen
steht. Ausgerechnet Yvan ist der Schiedsrichter und soll um seine Meinung gefragt
werden. Yvan, der das Gemälde durchaus gut findet, konstatiert Dein Zimmer hat etwas
Mönchisches. Reduziert ist auch das Bühnenbild mit drei wandelbaren weißen
Sitzwürfeln. Der choreografierte Auf- und Abbau der Szenen, die Art, wie die Schauspieler
die Wege gehen, erinnert an Oskar Schlemmers Triadisches Ballett im Bauhaus. Je
heftiger die Diskussionen, desto klarer treten die Charaktere der drei Männer zutage.
Schnell bilden sich wechselnde Verhältnisse des Musters Zwei gegen Einen.
Kleinste Details wie die Art, Zigarettenrauch zu verscheuchen oder du hast
ohne Ironisierung das Wort Dekonstruktion benutzt! werden überempfindlich wahrgenommen,
riesig aufgeblasen und enden in wüsten Beschimpfungen oder noch schlimmeren Aktionen.
Die überraschende Auflösung am Schluss wird vom Premierenpublikum mit viel Beifall bedacht.
Mit dem Zitat von Claus Peymann Ich glaube an das Theater als
moralische Anstalt überreicht Carmen Steiner zum Dank Rosen und kleine Präsente
an die Schauspieler, den Regisseur Werner Kern und Berthold Steiner für die Technik, der
mit Kern auch das Bühnenbild verantwortet.
Es hat uns nachdenklich gemacht sagen unisono Stefan
Schöffel und seine Mutter Irene, die das Stück nur empfehlen können.
Tiefgründig aufs eigene Leben übertragbar meint Nina Elter. Anita
Schwenker findet es sensationell, weil es auch drei Frauen sein könnten, die so
ins Detail gehen. Jürgen Hotz
Kunst
BNN Ettlingen, Mittwoch 30. Oktober 2019, Ausgabe Nr. 252
Es war eine Lust, mit ihnen Theater zu spielen
kleine bühne probt Yasmina Rezas preisgekröntes
Stück Kunst / Die Premiere ist am Samstag, 2. November
Hier muss ein Lichtwechsel stattfinden, sagt Werner
Kern, der Regisseur. Die Bühne ist in tiefblaues Licht getaucht. Berthold Steiner dreht
am Regler, das Licht changiert zu Violett: Lichtprobe in der kleinen bühne für das
Dreipersonenstück Kunst von Yasmina Reza, ausgezeichnet mit dem Prix
Molière, dem höchsten Theaterpreis in Frankreich. Das Stück ist eine
Herausforderung für die Schauspieler, denn der Text ist sperrig. Die drei
Schauspieler spielen das Stück wie in einer Generalprobe komplett durch. Der Textfluss
soll nicht gestaut werden. Schon die Pause nach ungefähr einer dreiviertel Stunde sei
problematisch, wie Kern anmerkt, da sie wieder in ihre Stimmung zurückfinden müssen.
Seine drei Mimen kennt Werner Kern schon lange. Mit Adrian Müller und Matthias Hüther
arbeitet er schon seit 2000, damals im Kinder- und Jugendtheater Arcobaleno der
kleinen bühne. Es war eine Lust mit ihnen Theater zu spielen! Er selbst kam
über seine Frau Esther Maria Kern, Schauspielerin am Kammertheater, zur Theaterarbeit und
war lange Vorstand der kleinen bühne. Von 2008 bis 2017 pausierte er, bis er mit der
Regiearbeit zu Zartbitter (nächste Vorstellung: 16.11., 20 Uhr) wieder
eingestiegen ist.
Neun Seiten sind eine Szene, das sind gute Lernhäppchen,
so proben sie Kunst seit Februar zweimal pro Woche, Urlaub ausgenommen.
Der Regisseur ist Beobachter und nicht losgelöst von seinen
Schauspielern, charakterisiert Kern seine Auffassung, das Spiel zu leiten. Die Schauspieler
machen zur Lockerung Sprechübungen. Es ist sehr viel Text, und der muss in Fluss
kommen, was er jetzt, so kurz vor der Premiere, betreibe, sei Feinjustierung. Er wolle ihre
Haltung schärfen. Seid ihr bereit? Versucht, auf Betriebstemperatur zu kommen!,
sagt Kern Richtung Bühne ruhig, ohne die Stimme zu erheben. Dann Auftritt Serge (Adrian Müller)
und Marc (Matthias Hüther), erste Szene: Serge hat sich ein modernes ölgemälde gekauft,
weiße Streifen auf andersweißem Grund. Marc versteht die Welt nicht mehr. Dabei ist der
Schöpfer der Arbeit ein berühmter Maler. Am wenigsten begreift Marc, dass der Preis so
hoch ist. Obwohl Serge ein starker, auch eigensinniger Charakter ist, fragt er Yvan (Lukas Buck),
ihren gemeinsamen Freund um seine Meinung. Das ist der Ausgangspunkt des Stückes. Wie sich im
Verlauf des Stückes – bei der weiteren Bildbetrachtung – in dieser Dreieckskonstellation frei
flottierende Bündnisse bilden und überraschende Wendungen ergeben, führt Yasmina Reza
einmal mehr bravourös vor. Wie schon in Der Gott des Gemetzels überzeugt die
treffende Beobachtungsgabe der Autorin, die die Schauspieler der kleinen bühne glaubwürdig
und mit sehr viel Körpereinsatz in die Spielszenen umsetzen. Man darf also sehr auf die Premiere
gespannt sein. Jürgen Hotz
Männerhort
BNN Ettlingen, Montag 14. Oktober 2019, Ausgabe Nr. 238
Am Rande des Nervenzusammenbruchs
Das Stück Männerhort feierte
am Samstag Premiere an der kleinen bühne ettlingen
Man ahnt so Einiges, wenn man das Bühnenbild sieht:
Ein kahler Kellerraum voll galoppierender Unordnung. Eine nackte Frau und der
Kicker-Kalender an die Wand gepinnt, ein Fernseher, leere Pizzakartons. Eindeutig
ein Ort also, an dem Männer das Sagen haben. Das Stück Männerhort
von Kristof Magnusson hatte am Samstag Premier an der kleinen bühne ettlingen.
Die vier Männer, die sich hier im Lauf der folgenden zwei Stunden höchst
amüsant um Kopf und Kragen reden, lügen und sich gegenseitig hinters Licht
führen, haben diesen Raum als Zufluchtsort für vor ihren shoppingwütigen
Frauen ausgesucht. Tom, Helmut, Mario und Stefan sind natürlich reinrassige
Knallchargen, für deren komische Wirkung allein schon der Text ausreicht, den
Regisseur Luigi Biolzi mit einer gerade richtigen Dosis Lokalkolorit angereichert hat.
Das Männerquartett muss dafür gar nicht extra
überdreht auftreten. Ja, sie dürfen auch Grimassen schneiden, aber sie
übertreiben nicht.
Sven Herrmann gibt den vermeintlichen Frauenhelden Stefan,
der sich schon durch seine unangemessen jugendliche Kleidung und sein immer wieder
betontes ich bin ich! als Sieger inszenieren will. Mit Herz zerreiszlig;ender
Grandezza gibt Yousef Mostaghim den Mann, der eigentlich an das Gute und die Liebe glaubt,
der aber die Unterwäsche seiner Gattin penibel auf eventuelle fremde Spermaspuren
untersucht und die Höschen sogar in Klarsichthüllen abheftet. Die Szene
ist einer der Brüller des Abends. Bernd Hagemanns Mario ist eigentlich ein
glaubwürdig schlichter aber bauernschlauer Charakter, der wunderbar treudoof
dreinschauen kann, aber doch gerne mit den vermeintlichen Intelligenzbestien im Keller
mithalten möchte. Was dann in der bahnbrechenden Erkenntnis gipfelt: Ich kann
auch psychisch sein! Peter Laiers Helmut kann das sowieso, dem entfleuchen in seiner
ans selbstzerstörerische grenzenden Verzweiflung wahrhaft philosophische Erkenntnisse:
Frauen brauchen keine Hobbys, die haben ein Innenleben!
Nach und nach kommt heraus, dass in diesem Gewirr von Beziehungen
allerhand eheliche Untreue im Spiel ist. Als die gestandenen Kerle von ihren Frauen
verlassen werden, vor denen sie eben noch geflüchtet sind, wollen sie sie zurückerobern.
Mittels eines ausgeklügelten Plans für den schönsten Shopping-Erlebnistag
aller Zeiten. Auch wenn diese plötzliche Umkehr ein wenig an den Haaren herbeigezogen
scheint umgesetzt werden die Vorbereitungen mit absurder Komik: Da nämlich
trainieren die Herren in Reih’ und Glied, wie man richtig eindrucksvoll shoppt. Inszeniert
als Pantomime kann man die Szene nebenbei noch wie eine Parodie auf militärisches
Marschieren lesen. Wie und ob es für diese armseligen Exemplare der Gattung Mann eine
Lösung gibt, darf hier selbstredend noch nicht verraten werden. Nur soviel: es bleibt
bis zum letzten Moment spannend. Thomas Zimmer
Männerhort
BNN Ettlingen, Dienstag 8. Oktober 2019, Ausgabe Nr. 233
Letzter Zufluchtsort: Der Heizungskeller
Die kleine bühne bereitet sich auf die
Premiere der Boulevardkomödie Männerhort vor
Genau so stellt man sich Männer vor: Sie sitzen in
einem unaufgeräumten Heizungskeller, trinken Dosenbier und schauen Fußball.
An der kahlen Wand hängt ein Kicker-Kalender, auf dem Boden steht der Fernseher,
dort läuft Fußball. Dabei lästern Helmut, Tom, Stefan und Mario über
ihre Frauen und vor allem über deren Shopping-Verhalten. So zumindest hat
sich der deutsch-isländische Autor Kristof Magnusson das in seinem Stück
Männerhort vorgestellt, das 2014 auch als Vorlage für den
gleichnamigen Film mit Christoph Maria Herbst und Elyas M’Barek diente. Luigi Biolzi
inszeniert das Stück jetzt für die kleine bühne Ettlingen.
Klar spiele die Boulevardkomödie mit allen nur denkbaren
Klischees, räumt er ein, aber ich kann mir vorstellen, dass es Männer
gibt, die tatsächlich von ihrer Frau jedes Wochenende in so ein Shopping Center
getrieben werden. Ob es ihnen nun passt oder nicht. Das nimmt halt dieses Stück
aufs Korn. Wie die Frauen dargestellt werden, ist natürlich völlig
überzeichnet.
Allein sie treten gar nicht leibhaftig in Erscheinung,
werden nur durch die Erzählungen der Männer lebendig. Man hört
die Angst, dass sie diesen ‚Männerkeller’ entdecken könnten.
Nicht nur das: Im Lauf des Stückes offenbart sich, welch verkrachte Existenzen
diese vier leidenden Kerle sind. Sven Hermann spielt die
Möchtegern-Führungskraft Stefan. Er hängt immer am Organizer und ist ein
notorischer Fremdgänger, erläutert Biolzi. Yousef Mostaghim gibt den
Programmierer Tom, der glaubt, er könnte seine Ehe noch retten.
Bernd Hagemann spielt den Mario, der ist geistig etwas ‚leichter’
strukturiert, und Peter Laiers Helmut ist ein Pilot, der seinen Job verloren hat.
Das weiß aber keiner, nicht mal seine Ehefrau, der übernachtet
inzwischen schon in dem Männerkeller.
Wie üblich, hat Biolzi der Inszenierung einige passende
Musikstücke verpasst plus einen Schuss echtes und fiktives Lokalkolorit.
Es werden sich einige Geschäfte in diesem Stück wiederfinden, und dann
gibt es ein imaginäres Albgau Center und ein Fachgeschäft namens Fashion
Point G, das gibt es in Ettlingen auch nicht. Kann aber noch kommen, schmunzelt
er. Auf die Frage, ob eine solche Komödie eher Männer oder Frauen ansprechen,
sagt der Regisseur: Ich habe es nicht auf eine bestimmte Zielgruppe abgesehen,
nicht auf Frauen oder Männer. Egal, was man spielt: Jedes Publikum ist anders.
Es gibt Stücke mit einem ernsten Hintergrund, und doch lachen manche Leute, obwohl
es nichts zu lachen gibt. Und es gibt witzige Stücke, bei denen manche Menschen
im Publikum drinsitzen wie Ölgötzen. Thomas Zimmer
Willkommen in deinem Leben
BNN Ettlingen, Montag 4. Februar 2019, Ausgabe Nr. 29
Krieg den Hintern hoch und fang an zu leben
Erfolgreiche Premiere von Willkommen im Leben /
Furioser Auftritt von Eva Frohne in der kleinen bühne
Freude auf die gemeinsame Zukunft
Lange Autofahrten durch die Wüste, ein einsames Motel und
ein Duell auf Leben und Tod die Mythen der populären Kultur Amerikas sind sattsam
bekannt. Der Autor Michael McKeever nimmt sie als Ausgangslage für sein Stück
Willkommen in deinem Leben, das Regisseur Daniel Frenz für die kleine
Bühne inszeniert hat. Die Premiere am Samstag hinterließ einen sehr starken
Eindruck. Charlie Cox (Sven Herrmann) erfährt vom Arzt, dass er unheilbar krank ist. Er
fährt einfach los, nimmt unterwegs den Anhalter Wally (Adrian Müller) mit, der sich
als sein Tod in Person entpuppt. Die beiden landen im Motel von Nell Todd (Carmen Steiner).
Zwischen dem Todgeweihten und der einsamen Frau entwickelt sich eine zarte Romanze, sehr zum
Missfallen von Travis, der ebenfalls in Nell verliebt ist. Dann taucht auch noch Kiki (Eva Frohne)
auf, die die Liebe personifiziert. Und damit wird Wally, der eigentlich nur seinen Job bei
Charlie schnell durchziehen will, endgültig zum armen Teufel. Hör endlich auf
zu sterben, krieg den Hintern hoch und fang an zu leben lautet die strikte Order Kikis,
der Charlie mit seiner Nell dann folgt. Diese Geschichte, die gekonnt zwischen Märchen,
realistischen Momenten und großen Gefühlen angelegt ist, hat der Autor in eine
raffiniert verschachtelte Handlung gepackt. Man erfährt die Vorgeschichte in Rückblenden;
hinzu kommt, dass die Protagonisten von Liebe und Tod für die realen Figuren
nicht sichtbar sind.
Es ist das Verdienst der Regie von Daniel Frenz, dass er diese
verschiedenen Ebenen genau herausgearbeitet hat. Dabei hilft eine sinnvolle Lichtführung
(Technik: Berthold Steiner, Matthias Hüther) und auch die Musik passt: Ennio Morricones
Soundtrack zum Film Zwei glorreiche Halunken ist die passende Untermalung zu dieser
Romanze in der Wüste Arizonas. All diese Elemente ermöglichen dem Ensemble eine
geschlossene Präsenz. Carmen Steiner und Sven Herrmann machen das Wechselbad der Gefühle
zwischen Verzweiflung und Einsamkeit einerseits und der vorsichtig steigenden Freude auf gemeinsame
Zukunft wie lange sie auch dauern mag jederzeit nachvollziehbar. Yousef Mostagham
rührt als unglücklich Verliebter das Publikum. Bleiben noch der Tod und die
Liebe. Eva Frohne und Adrian Müller profitieren davon, dass ihnen der Autor die
schönsten knochentrockenen Dialogpointen zugedacht hat. Dafür gab es dann, vor allem
beim furiosen Auftritt von Eva Frohne, Beifall auf offener Szene, der sich am Schluss zu lang
anhaltendem, völlig verdienten Applaus steigerte. Henner Klusch
Willkommen in deinem Leben
BNN Ettlingen, Samstag 26. Januar 2019, Ausgabe Nr. 22
Ein sehr dichtes und intensives Stück
Die kleine bühne inszeniert Willkommen in
deinem Leben von Michael McKeever / Premiere ist am 2. Februar
Letzte Aufführung mit Eva Frohne?
Charlie Cox, der so gerne Schriftsteller geworden wäre und
sich jetzt als Lektor bedauert, erfährt von seinem Arzt, dass er unheilbar krank ist:
Das Lou-Gehrig-Syndrom legt die Muskulatur und die Steuerung lebenswichtiger
Organe lahm. Charlie bricht alle Brücken hinter sich ab und setzt sich ins Auto. Unterwegs
nimmt er einen Anhalter namens Wally mit, der alles über ihn weiß. Schnell stellt sich
Wallys besondere Nähe zu Charlie heraus: Er ist sein persönlicher Tod,
der für den geregelten Übergang ins Jenseits verantwortlich ist. Das ist die vermutlich
verwirrend klingende Ausgangslage des Stückes Willkommen in deinem Leben von
Michael McKeever, das am 2. Februar in der kleinen bühne Premiere hat.
Für Regisseur Daniel Frenz ist dies die zweite Begegnung mit dem
amerikanischen Autor, der in Florida lebt und arbeitet: Ich habe vor Jahren schon ‚Blinde Rache‘
von ihm inszeniert. Ich finde ihn als zeitgenössischen amerikanischen Autor sehr gut, weil
er sehr dichte und intensive Stücke schreibt, die einen ernsten Hintergrund haben, aber auch
sehr komisch sein können. Michael McKeever ordnet sein Stück als
Tragikomödie ein, Regisseur Daniel Frenz findet, dass sich tragische und komische
Elemente durchaus die Waage halten.
Zurück zum Stück: Zunächst ist Charlie Fox (Sven Herrmann)
von der Existenz seines persönlichen Todes gar nicht überzeugt: Du müsstest
eigentlich eine schwarze Kutte tragen und eine Sense mit dir führen. Aber Wally (Adrian
Müller) im langen Mantel und mit dämonischer Halbmaske kontert ganz cool: Du hast
wohl zu viel Filme von Ingmar Bergman gesehen. Damit ist auch das geklärt.
Wegen einer Autopanne stranden Charlie und Wally im Motel Hidden
Oasis, das die verwitwete Nell (Carmen Steiner) unter dem besorgten Blick ihres väterlichen
Freundes Travis (Yousef Mostaghim) führt.
Zwischen Charlie und Nell entbrennt eine zarte Romanze. Das erschwert
natürlich Wallys Job. Als auch noch Kiki (Eva Frohne) als personifizierte Liebe auftaucht, hat
er endgültig schlechte Karten. Die große Herausforderung für die Regie liegt hier natürlich
in der raffinierten Konstruktion der Vorlage. Wally, der personifizierte Tod, ist für die anderen
ausgenommen Charlie unsichtbar; aber gleichwohl in die pointierten Dialoge eingebunden. Viele
Teile der Handlung werden auch als Rückblick erzählt, was eine präzise Licht- und
Tonregie erfordert. Dennoch ist Regisseur Daniel Frenz zwei Wochen vor der Premiere beim Probenbesuch
sehr entspannt und muss nur ein paar Kleinigkeiten korrigieren. Wie das Stück ausgeht, soll
natürlich nicht verraten werden. Aber für ein Ensemblemitglied könnte die Premiere
das Finale bedeuten. Eva Frohne, mit über achtzig Jahren immer noch gut persönlich und
auf der Bühne unterwegs, hat ihren Rücktritt erklärt. Daniel Frenz nimmt das noch
nicht so hin: Ein Comeback ist immer möglich. Henner Klusch
Zartbitter
BNN Ettlingen, Montag 22. Oktober 2018, Ausgabe Nr. 244
Gezuckerter Schlagabtausch bis der Kragen platzt
Bravo-Rufe bei Komödien-Premiere Zartbitter /
Klischees auf der kleinen bühne durch den Kakao gezogen
Im Süßwarengeschäft herrscht dicke Luft: Samantha
Smith und Tom Jones, Experten für exquisite Pralinen, rühren wild Schokoladenmasse,
ihr Gesichtsausdruck spricht Bände, die Worte fliegen nur so hin und her. Zwei streitbare
Figuren, viel Schokolade, ein Handy, das Rätsel aufgibt, und mehr als eine überraschende
Wendung stehen im Mittelpunkt der neuen Inszenierung der kleinen bühne Ettlingen.
Zartbitter von Autor Lars Lienen feierte am Samstagabend erfolgreich Premiere. Mit
Bravo-Rufen und großem Applaus honorierte das Publikum die bissig-böse
und höchst amüsante Komödie, die Regisseur Werner Kern mit den Darstellern Carmen
Steiner und Daniel Frenz auf die Bühne brachte.
Samantha oder Sam und Tom sind Chocolatiers, die sich mal mögen,
mal hassen zwei sehr gegensätzliche Charaktere, die in der Küche von
Picard's auf engem Raum zusammenarbeiten müssen. Sam hat mit ihren Kreationen
dafür gesorgt, dass der Laden brummt. Nun will die Inhaberin eine Verstärkung
einstellen. Was Sam gar nicht begrüßt, ist sie doch überzeugt, dass es keiner
so gut kann wie sie selbst. Entsprechend schnell will sie auch den nächsten neuen Kollegen
Tom wieder hinausekeln. Nach den ganzen Möchtegern-Chocolatiers jetzt noch ein
Nachwuchskomiker, stöhnt sie. Sie ist gut, sie führt sich nur auf wie
Attila, der Hunne, meint er. Zum Vergnügen des Publikums fliegen die Fetzen und auch
das eine oder andere deutliche Schimpfwort. Mehr Figuren benötigt das Stück gar nicht,
im Verborgenen bleibt Küchenhilfe Marie, der die zwei mitunter ihr Leid klagen. Carmen Steiner
gibt die Sam als liebenswerte Kratzbürste mit weichem Kern. Daniel Frenz spielt den Tom als
charmanten Spaßvogel mit nachdenklicher Seite, der ihr den Wind aus den Segeln nimmt, bis
ihm doch der Kragen platzt. Sie diskutieren, lachen, singen, tanzen, sinnieren über die
Lebensautobahn und ihre Stationen Karriere, Ehe, Kinder, oder über das Leben
in einer fremden Stadt, wo man jeden Tag neu auf der Suche ist.
Nach diversen Wortgefechten erkennen die beiden, dass der andere doch
gar nicht so verkehrt ist. Er ist vielleicht ein Idiot, aber einer, der gute Schokolade
macht, sagt Sam.
Die Löwin wurde gezähmt mit Chilischokolade,
sagt Tom. Indes währt der Friede nur kurz, nämlich bis Sam erfährt, dass Tom
homosexuell ist. Dies bringt sie gleich wieder auf die Palme, fürchtet sie doch nun Männer
in Lack und Leder im Laden und jeden Tag Christopher Street Day in der Küche. So
ziemlich alle Klischees werden im wahrsten Sinne des Wortes durch den Kakao gezogen. Und das bleibt
nicht die letzte überraschende Wendung. Denn während die beiden sich nach allen Regeln
der Kunst zoffen, ahnen sie noch nicht, welcher Knalleffekt ihnen als nächstes bevorsteht.
Holger Schorb
Zartbitter
BNN Ettlingen, Mittwoch 10. Oktober 2018, Ausgabe Nr. 234
Gefallen an Stücken rund ums Essen
Mit Zartbitter hat kleine bühne eine
weitere Eigenproduktion einstudiert / Werner Kern führt Regie
Bei der kleinen Bühne hat man offensichtlich
Gefallen an Stücken gefunden, bei denen es ums Essen geht. In der letzten Spielzeit
gab es bei Dänische Delikatessen Huhn in Marinade. Nun ist Schokolade
angesagt. Zartbitter heißt die Komödie des Autors Lars Lienen, die
in der Werkstatt eines Süßwarengeschäftes angesiedelt ist. Dabei geht es
aber über weite Strecken gar nicht süß zu, sondern ausgesprochen
bissig, aber immer höchst unterhaltsam.
Einige Tage vor der Premiere ist Regisseur Werner Kern ausgesprochen
entspannt. Die Inszenierung steht, so kann man sie durchlaufen lassen. Dabei macht sich Kern,
der nach längerer berufsbedingter Auszeit wieder an die kleine bühne
zurückgekehrt ist, ein paar wenige Notizen, die er dann in der Pause mit seinen beiden
Akteuren besprechen wird. An der Vorlage schätzt er vor allem eines: Man weiß
nicht so recht, wo es hinläuft, der Zuschauer muss sich einfach vor der Handlung tragen
lassen. Der Einschätzung muss nach dem Probeneindruck unbedingt zugestimmt werden:
Kaum ein Theaterbesucher wird in der Pause eine Ahnung haben, wie und in welcher Form das
Stück happy endet.
Denn bis dahin hat die Handlung schon einige tollkühne Volten
geschlagen. Samantha (Carmen Steiner) ist Chocolatière, also beruflich mit der
Herstellung von kalorienreichen süßen Verführungen beschäftigt. Weil dank
ihrer extravaganten Kreationen der Laden gut läuft, bekommt sie mit Tom (Daniel Frenz)
einen zweiten Chocolatier zur Seite gestellt. Sie sieht da eher eine unliebsame Konkurrenz und
möchte den Kollegen hinausekeln. Das gibt die Gelegenheit für diverse pointenreiche
Wortgefechte. Aber mit seiner selbst gemachten Chili-Schokolade überzeugt Tom die
kratzbürstige Samantha, dabei lässt das ausdrucksstarke Mienenspiel Carmen Steiners
beim Probieren dem Zuschauer schon das Wasser im Munde zusammenlaufen. So steht einer guten
Zusammenarbeit auf kalorischer Basis eigentlich nichts mehr im Wege, denn bei sind sich einig:
Liebe ist die einzige Sache, die schöner ist als Schokolade. Dazu singen die
beiden dann ein Lied von Cole Porter.
Aber mit der Liebe ist das so eine Sache, denn Tom steht auf
Männer. Das bringt Samantha zurück auf die Palme: Ich bin tolerant, ich habe
nichts gegen Schwule, aber sie sind die Pest in jeder Stadt. Tom lässt sich da aber
keineswegs einschüchtern und bescheinigt Samantha, dass sie sich aufführe wie Attila
der Hunne und das Temperament von Josef Stalin habe. Aber dann wird durch ein vergessenes Handy
alles noch viel komplizierter. Aber das soll hier natürlich nicht vorweggenommen werden.
Henner Klusch
Tratsch im Treppenhaus
BNN Ettlingen, Montag 1. Oktober 2018, Ausgabe Nr. 227
Gerüchteküche im Treppenhaus
Gefeierte Premiere: Komödie der kleinen Bühne
besticht durch lebendige Rollen
Ettlingen. Kurz nach 20 Uhr schwingt im ausverkauften Theatersaal
der Vorhang zur Seite und gibt den Blick frei in ein Treppenhaus. Jene Durchgangstation der
flüchtigen Begegnungen in Mietshäusern, die jeder schnell hinter sich bringen will.
Das aber ist das Revier von Frau Maisch, die den häuslichen Verkehrskotenpunkt als ihre
persönliche Nachrichtenzentrale benutzt. Es ist für die nächsten zwei Stunden
der Schauplatz von Tratsch im Treppenhaus, einer sehr sehenswerten Ensembleleistung
der kleinen Bühne Ettlingen &150; allen voran Monika Hertrampf im geblümten
Kleiderschurz als Frau Maisch. Wie sie wahlweise servil-unterwürfig tut, um dann im
nächsten Moment auftrumpfend und gestikulierend das Netz ihrer Intrigen um ihre Hausnachbarn
zu spinnen, haftet ihr schnell das Etikett Giftspritze an. Ihr Ziel sind die geduldige
und mit Langmut ausgestattete Frau Weber (Doris Pommerening), die die Anbiederungen schnell
durchschaut und sich ebenbürtige Dialoge mit der Maisch liefert: Können Sie
schweigen Frau Maisch? Ja! Ich auch! oder Peter Laiers Herr Tschornitz,
der realitätsnah den pensionierten Steuerinspektor und Vorsitzenden des Vereins reinrassiger
Chinchilla-Kaninchen mimt. Männlich-dünkelhaft fragt er: Ich als Beamter soll
die Treppe putzen? Aber nicht nur er durchläuft eine Verwandlung.
Zwei neue jugendliche Untermieter im zeitgemäßen Hipster-Outfit,
Julia Lumpp als Silke Grasser mit Hornbrille und Lukas Buck als Markus Tschornitz mit engen
Hochwasserhosen erregen natürlich die Aufmerksamkeit von Frau Maisch. Die muss schnell
dem Eigentümer Herrn Lauinger (Markus May) Bericht erstatten. May, mit Schaumstoff ausgepolstert,
verkörpert mit preußisch-berlinischem Tonfall authentisch den Metzger, der der
Damenwelt neben Blümchen auch gern Wurstpräsente überreicht. Herr Lauinger
schwankt zwischen Härte und Weichheit. Als noch der Autohändler Herr Grasser, ein
jugendlicher Senior im verspielten Mille-Voiture-Hemd auftritt, gespielt von Sven
Herrmann, ist Frau Maisch vollends verwirrt. Sie glaubt, es handele sich um einen Kriminalbeamten.
Nun sag ich gar nichts mehr! sind denn auch Frau Maischs Schlussworte. Allein, man will
es nicht so recht glauben.
Die Zuschauer sind restlos begeistert: So stellt Horst Ettl mit
Freundin fest, dass das Ensemble sich mit den Rollen absolut indentifiziert und über sich
hinauswächst. Ja, die eine oder andere Profibühne könnte sich sogar eine Scheibe abschneiden.
Der Regisseur Bernd Hagemann, mit Regieerfahrung von den Volksschauspielen
Ötigheim, wollte eine zeitlose und vor allem silvestertaugliche Komödie inszenieren.
Viele Rollen sind doppelt besetzt, denn so kommt jedes Ensemblemitglied mal zum Zug. Auch Regina
Penderock, Beate Brombacher-Müller und Matthias Hüther werden in den weiteren Vorstellungen
spielen. Bei Gulasch- und Kürbissuppe und einem Glas Sekt im Anschluss findet die rundum
gelungene Premiere ihren Ausklang.
Jürgen Hotz
Tratsch im Treppenhaus
BNN Ettlingen, Dienstag 25. September 2018, Ausgabe Nr. 222
Wer tratscht nicht gerne im Treppenhaus?
Neue Eigeninszenierung der kleinen bühne Ettlingen
hat Premiere / Komödie mit Lokalkolorit
Vor dem Eingang des Souterrains des Eichendorff-Gymnasium,
wo die kleine bühne Ettlingen ihr Domizil hat, steht ein Schauspieler und memoriert
seinen Text. Blauer Marker hebt seine Zeilen im Textbuch hervor. Es ist noch eine halbe
Stunde hin bis zum Probenbeginn des Schauspiels Tratsch im Treppenhaus von
Jens Exler, das am 24. April 1960 Premiere an der Niederdeutschen Bühne Flensburg
gehabt hatte und ab Januar 1962 vom Ohnsorg Theater Hamburg gespielt wurde. Das ist lange
her, weshalb Regisseur Bernd Hagemann das Stück in der aktuellen Bearbeitung von
Florian Battermann inszeniert. Mehr noch: Durch die Festlegung neuer Namen für die
Charaktere, die den Ettlinger Zuschauern recht bekannt vorkommen dürften, erhält
die Komödie feinen Lokalkolorit.
Nach und nach treffen immer mehr Schauspieler im Theater ein,
kommen aus ihrem realen Leben und schlüpfen hinter der Bühne in ein anderes Ich.
Wenn sie nicht gerade Frau Maisch oder Herr Tschornitz sind, arbeiten
sie als Lehrer, im Hotelfach, beim Jugendamt oder als Architekt. Theaterspielen als
Hobby ist sehr zeitintensiv, für weitere Freizeitbetätigungen fehlt dann meist
die Zeit sagt Carmen Steiner, die Vorsitzende des Amateurtheaters und zeigt den
Probenplan. Seit April wird geprobt, jeweils zweimal pro Woche. Jetzt, wenige
Tage vor der Premiere, findet der Durchlauf des kompletten Stückes mit allen Darstellern
statt im Kostüm.
Das Ensemble entwickelt die Kostüme gemeinsam. Beim
Tratsch-Stück sind wir in der Jetzt-Zeit, und jeder bringt seine eigenen Anziehsachen
mit, denn unser Fundus ist eher klein. Je nach Epoche, in der die Stücke spielen,
können wir auch auf die Ausstattung der Volksschauspiele Ötigheim zurückgreifen,
so Carmen Steiner weiter und falls alle Stränge reißen, können ein
paar von uns noch nähen.
Der Vorhang hebt sich, die Probe beginnt. Der komödienerfahrene
Zuschauer blickt in ein Treppenhaus mit vielen Türen und ahnt schon den kommenden Reigen,
der sich in dieser Kammer der sozialen Verdichtung zutragen wird. Das Bühnenbild mit
aufwendig geschreinerter Treppe wurde in Eigenregie von den Vereinsmitgliedern Berthold Steiner,
Stefan Dembinski und Moritz Schneider entworfen und ausgeführt.
Das Ensemble ist gut aufgelegt, und bald fliegen die Pointen wie
Bälle hin und her. Vorsorglich sind 17 Vorstellungen angesetzt, fünf mehr als im
Regelfall. Pro Vorstellung sind 71 Plätze verfügbar, die um maximal zehn Stühle
erhöht werden können. Bei der zu erwartenden großen Resonanz des Stückes
möchte die Intendanz der kleinen bühne auf Nummer sicher gehen.
Tatsächlich mussten bei den Publikumsrennern in der Vergangenheit schon mal Zuschauer
wieder heimgeschickt werden, weil die Vorstellungen restlos ausverkauft waren.
Das Ensemble ist auf Betriebstemperatur, die Bühnentechnik
funktioniert auf den Punkt genau. Das feine Ohr hört bald heraus, dass die Schauspieler
ihrerseits ihre eigenen Dialekte mit ins Stück einbringen und so für linguistische
Vielfalt sorgen zum höheren Amüsement des Zuschauers.
Jürgen Hotz
2017 / 2018
Dänische Delikatessen
BNN Ettlingen, Montag 26. Februar 2018, Ausgabe Nr. 47
Viele Anlässe für Schmunzler und laute Lacher
Stück Dänische Delikatessen hatte
Premiere an der kleinen bühne in Ettlingen / Euphorischer Beifall des Publikums
Svend und Bjarne eröffnen endlich ihre eigene Metzgerei.
Nach einigen Startschwierigkeiten wird die Spezialität Huhn in Marinade
zum Verkaufsschlager. Aber ist das wirklich Huhn, was da verarbeitet wurde? Darum geht es
in der schwarzen Komödie Dänische Delikatessen, die am Samstagabend
in der kleinen bühne Premiere hatte.
Zwei Stunden lang lässt Regisseur Daniel Frenz die Puppen
tanzen: Timing und Tempo stimmen, das flexible Bühnenbild wechselt ständig
unfallfrei, wie auch die Darsteller in zahlreiche Rollen, Kleider und Perücken
schlüpfen. Im Mittelpunkt agieren Yousef Mosthagim als Svend und Matthias Hüther
als Bjarne. Mostaghim spielt den Svend als selbstverliebten, aufbrausenden und zunehmend
skrupellosen Geschäftsmann, weswegen Konflikte mit seinem Geschäftspartner Bjarne
vorprogrammiert sind. Hüthers Bjarne ist als unsichere, komplexbeladene Figur angelegt,
die nach dem Tod seiner Frau ein isoliertes, misanthropisches Leben führt. Es ist die
klassische Rolle eines Entwurzelten, der vom Opfer zum Täter wird. Carmen Steiner hat
in ihrer Doppelrolle eine delikate Aufgabe: Als Svends Freundin Tina versucht sie, diesem
Fleischer-Despoten Einhalt zu gebieten, als Bjarnes werdende Freundin Astrid will sie diesen
verzweifelten Mann retten. Ein ziemlich cleverer Besetzungscoup.
Überhaupt erfreuen einige gute Regie-Ideen im Detail: Da
sind zum einen die durchweg fröhlichen dänischen Schlager, die den ans Gruslige
grenzenden Humor des Stückes aufs Wunderbarste konterkarieren. Da ist die Szene, in der
auf der einen Seite der Bühne die beiden Metzger lautstark streiten, während die
eben noch durcheinander schreiende wartende Kundschaft auf der anderen Seite der Bühne
als Standbild eingefroren wird.
Viele Anlässe für Schmunzler und laute Lacher bieten auch
die weiteren Figuren: Allen voran Regina Penderock, die mit Vollbart camoufliert den widerlichen
Metzgerei-Konkurrenten Holgersson gibt als wunderbar übertriebene Knallcharge.
Lukas Buck spielt Bjarnes geistig behinderten Bruder Aigil mit kindlichem Charme und wirkt wie
eine Lichtgestalt in diesem Fegefeuer menschlicher Abgründe. Weitere bunte bis schrille
Farbtupfer liefern Meta Kiefer Klenk als gestrenge Krankenschwester, Ekhart Kalytta als
angetrunkener Handwerker und Markus May als unglaubliche Grimassen schneidender Immobilienmakler.
Monika Hertrampf spielt mit Riesenschnurrbart und Modern Talking im
überlauten Kopfhörer einen Elektriker, Adrian Müller überzeugt als ein in
seine eigene Schönheit verliebter Fernsehjournalist und Doris Pommerenning ist eine
blauhaarige Kundin, die sich zudem in einer weiteren Rolle als schmachtende Bjarne-Verehrerin
überzeugend lächerlich macht. Wie schon oft bei Komödien an der kleine bühne
überzeugt auch und vor allem das Ensemblespiel wofür das Publikum mit
euphorischem Beifall dankt. tz
Dänische Delikatessen
BNN Ettlingen, Mittwoch 7. Februar 2018, Ausgabe Nr. 31
Das Geheimnis des marinierten Huhns
Dänische Delikatessen ist die neue
Eigenproduktion der kleinen bühne Ettlingen / Premiere ist am 24. Februar
Mir wäre es dann wichtig, dass ihr mit Tempo einsteigt,
Präsenz und mit Power, sagt Regisseur Daniel Frenz. Er probt derzeit mit dem
Ensemble der kleinen bühne Ettlingen Dänische Delikatessen. Es erklingt
die Ansage fürs Publikum aus der Konserve stilecht auf Dänisch zunächst:
Kære damer og herrer, velkommen til det lille stadium ettlingen (Sehr
geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen in der kleinen bühne Ettlingen). Dann
geht es los und es hat die gewünschte Power. Die braucht die schrille Komödie in der
Tat, denn hier geht es um die Wurst und ein Geheimnis.
Svend und Bjarne, zwei sympathische Verlierertypen, eröffnen
in dem Theaterstück nach dem gleichnamigen Erfolgsfilm von Thomas Jensen aus dem Jahr
2003 endlich ihre eigene Metzgerei. Ein schickes Schild hat der Laden schon, Visitenkarten
mit goldenen Schweineköpfen sind gedruckt, und die selbst gebratenen Buletten duften als
Probierhappen auf der Theke. Allein die Kundschaft bleibt zunächst aus bis die
Spezialität Huhn in Marinade zum Verkaufsschlager wird. Aber was ist da
wohl drin? Das wird natürlich nicht vorab verraten; dass es eine schwarze Komödie ist,
die auf morbiden Humor setzt, allerdings schon. Es muss ja nicht immer Boulevardkomödie sein,
meint Frenz. Aber wie in diesem Genre geht es auch hier um familiäre Verwicklungen:
Bjarnes Bruder liegt nach einem Autounfall im Koma, und wenn der stirbt, wäre
Bjarne der Alleinerbe. Also geht er ins Krankenhaus und will, dass die Maschinen abgestellt
werden, verrät der Regisseur […]
Lustig klingt […] die Musik, die Frenz für das Stück
ausgesucht hat: Typisch dänische Schlager. Nicht solche Sachen wie Gitte Haenning,
die hier eh jeder kennt, erklärt er. 19 Szenen gibt es, das Stück wird auf
offener Bühne gespielt. Das bedeutet, das Bühnenbild wechselt ständig im Dunkeln,
während eine Zwischenmusik läuft.
Wir haben die Verkaufsfläche, den Kühlraum, das
Krankenhaus, den Friedhof, erklärt Frenz. Das Ensemble ist zudem ständig in
Bewegung, 21 Rollen werden von elf Darstellern gespielt. Die müssen sich ständig
umziehen. Ich finde das gut, wenn die Leute auch hinter [der] Bühne was zu tun
haben, meint der Regisseur. Thomas Zimmer
Die Perle Anna
BNN Ettlingen, Dienstag 10. Oktober 2017, Ausgabe Nr. 234
Ein Ehebruch ist kein Ponyhof
Turbulente Komödie Die Perle Anna hatte Premiere
bei der kleinen bühne in Ettlingen
Irgendwann gegen Ende von Marc Camolettis turbulenter Komödie entfährt
es der Perle Anna wie ein Stoßseufzer: Ein Glück, dass ich so intelligent bin. Manchmal bin
ich mir selbst unheimlich. In der Tat, die titelgebende Figur hält bei den Liebesirrungen des
Ehepaares Bernard und Claudine alle Fäden in der Hand. Bernard und Claudine wollen die erste gemeinsame
Nacht mit ihrem jeweiligen Techtelmechtel in der eigenen Wohnung verbringen und Anna passt auf, dass sie
sich dabei nicht begegnen. Bei der Premiere an der kleinen bühne am vergangenen Samstag konnte das
begeisterte Publikum ein wahres Feuerwerk an von Regisseur Luigi Biolzi temporeich inszenierten
Verwicklungen erleben, das kaum Zeit zum Durchatmen ließ.
Da ist das in Routine erstarrte Ehepaar, von Bernd Hagemann und Silvia Szillat
dargestellt als zwei Menschen mit ganz unterschiedlichem Temperament. Er, der eigentlich langweilige leicht
spießige Ehemann, der beim Telefonieren mit seiner Geliebten den Charmeur gibt. Immer, wenn ihm die
Situation zu entgleiten droht, entgleist seinem Darsteller aufs Wunderbarste die Gesichtsmimik was
schon für sich Anlass zu Lachern wäre. Sie, die quicklebendige, offensichtlich leicht frustrierte
Gattin, von Silvia Szillat als vordergründig selbstbewusste, zupackende Frau gespielt. Beide Darsteller
füllen die komischen Seiten ihrer Rollen perfekt aus, ohne sie komplett zur Karikatur zu machen.
Dafür sind dann eher ihre jeweiligen Liebespartner zuständig: Claudines
Lover Robert wird von Sven Hermann überzeugend als Fachidiot des Marathonlaufs gespielt, der aber
offensichtlich selbst darin nicht besonders gut ist. Ständig ist er im Training, auch in der geplanten
Liebesnacht, und der Running Gag ach, wären wir doch lieber zu mir gegangen gewinnt mit
ständiger Wiederholung an humoristischer Sprengkraft. Bernard wiederum, der Herr des Hause, hat sich
eine ganz junge Geliebte angelacht.
Catherine ist mit Zuckerhase noch ziemlich euphemistisch beschrieben.
Samantha Steins, die Jüngste des Ensembles, spielt sie als piepsendes, naives Dummchen, das sich schon
als die künftige Hausherrin sieht. Es ist allein schon eine reife Leistung der Darstellerin, nicht
selbst vor Lachen über ihre Rolle aus selbiger zu kippen.
Das genaue Gegenteil macht die Ensemble-Seniorin Eva Frohne aus ihrer Perle Anna:
Mit einem stets resoluten Ton und einer offensiv zur Schau gestellten Bauernschläue schafft es das mit
allen Wassern gewaschene Dienstmädchen, die beiden illegitimen Paare auf Schlafund Gästezimmer zu
verteilen, um eine Katastrophe zu vermeiden. Denn sie weiß: Ein Ehebruch ist kein Ponyhof!
Dabei wirkt Eva Frohne in der natürlich sehr konstruierten Handlung immer so,
als sei das alles der natürliche Lauf der Dinge, und manchmal braucht sie für ihre Darstellung nicht
mal Text. Allein der Blick reicht aus, um alle anderen herumzukommandieren, und das Publikum frisst ihr nebenbei
auch aus der Hand und zollt nach zwei Stunden dem gesamten Ensemble der kleinen bühne großen Beifall
für eine in sich stimmige, runde Mannschaftsleistung. Thomas Zimmer
Der Seelenbrecher
BNN Ettlingen, Montag 6. März 2017, Ausgabe Nr. 54
Showdown in der Psychiatrie
Atmosphärische Premiere von Der Seelenbrecher
So viel sei verraten: Spannend blieb es bis kurz vor Schluss: Die kleine
bühne ettlingen hatte am Samstag Premiere mit Der Seelenbrecher, der Theaterbearbeitung
des Thrillers von Sebastian Fitzek. Unter der Regie von Bernd Hagemann und Werner Kern schaffte es
das Ensemble, die Zuschauer zwei Stunden lang rätseln zu lassen, wer dieser Seelenbrecher ist,
der Menschen in eine Art Todesschlaf versetzt, aus dem sie sich selbst nicht mehr befreien können.
Alles spielt sich ab in einem Bühnenbild: dem Aufenthaltsraum einer
psychiatrischen Klinik, die an einem Schneesturm-Tag von der Außenwelt abgeschnitten ist. Die Konzentration
auf diesen einen Raum, der zum Zufluchtsort vor dem vermeintlich im Haus umgehenden Seelenbrecher wird,
macht die Zuschauer zu Mitgefangenen der Ängste der Akteure. Diese Atmosphäre wird befeuert
durch Geräuscheinspielunügen, dräuende Musik von Apocalyptica und eine Lichtregie
(Berthold Steiner), die ans klassische Thriller-Kino angelehnt ist. Ein Mann mit der Diagnose retrograde
Amnesie versucht sich zu erinnern, wer er ist. Hier nennen sie ihn Caspar. Aber wer ist er wirklich?
Nach und nach kehrt die Erinnerung zurück. War er Arzt? Hat er seinem Sohn durch einen Kunstfehler
geschadet? Markus May spielt ihn voller Selbstzweifel und mit glaubwürdiger innerer Zerrissenheit.
Der Katalysator der Ängste ist die Einlieferung von Dr. Jonathan Bruck, der wie ein böser
Geist in der Klinik spukt. Als dann auch noch die Psychiaterin Sophia Dorn von Carmen Steiner
als sachlich-vernünftige Spezialistin dargestellt offenbar von Bruck ins Wachkoma versetzt wird,
spürt man förmlich die Angst der Bedrohten wachsen. Es entwickeln sich ganz unterschiedliche
Charaktere: der Chefarzt Dr. Raßfeld, den Daniel Frenz (der auch Jonathan Bruck verkörpert) als
herrischen Chef anlegt. Rettungssanitäter Tom Schadeck (Adrian Müller), der seine Kindheitstraumata
als cholerischer Einzelkämpfer auslebt. Der Hausmeister Bachmann, von Sven Herrmann als bis zur
Karikatur verzerrter Angsthase gespielt, Krankenschwester Yasmin Schiller (Jacqueline Griesser), die
zwar mutig ist, aber wenn es hart auf hart kommt auch schrill hysterisch wird. Schließlich die ältere
Patientin Greta Kaminsky (Monika Hertrampf), eine listige Stimme der Vernunft, die in aller Wirrnis noch
imstande ist, die verschlüsselten Zettelbotschaften, die man bei den Opfern des Seelenbrechers
findet, zu deuten.
Drastisch wird die ganze Bandbreite von panischer Angst bis zu blindem
Aktionismus mit Tempo und Schwung auf die Bühne gebracht. Gleichzeitig spürt der Zuschauer
zunehmend das gegenseitige Misstrauen der handelnden Figuren, bis auch er niemandem mehr traut und
hinreichend überrascht ist, als die Auflösung kommt. Der lang anhaltende Applaus des
Premierenpublikums kommt wie die befreiende Erlösung nach zwei Stunden temporeich inszenierter
Spannung. Thomas Zimmer
Harold und Maude
BNN Ettlingen, Montag 5. Dezember 2016, Ausgabe Nr. 282
Anrührende Tragikkomödie beeindruckt Publikum
Gelungene Premiere von Harold und Maude
in der kleinen bühne Ettlingen / Eva Frohne ist ein Ereignis
Wenn in einer Beziehung die Frau deutlich älter als der Mann
ist, sorgt das auch heute noch für Irritationen. Wenn aber 60 Jahre dazwischen liegen,
wie bei Harold und Maude, dann geht das eigentlich gar nicht. 1971 kam der Film Harold
and Maude nach einem Drehbuch von Colin Higgins in die Kinos. Am Samstag hatte die
Bühnenfassung des Stoffes in der kleinen Bühne Premiere. Regisseur
Daniel Frenz hatte die Inszenierung übernommen.
Der 18-jährige Harold (Matthias Hüther) soll nach dem
Willen seiner dominanten Mutter (sehr überzeugend: Carmen Steiner) gesellschaftlich
funktionieren. Zu diesem Zweck stellt sie ihm drei junge Damen zwecks Heirat vor, eine
schrecklicher als die andere. Olga Humpfer in einer Doppelrolle und Samantha Steins
präsentierten pointiert die jeweiligen Macken der Kandidatinnen. Harold setzt sich
zur Wehr, indem er fortgesetzt vorgetäuschte Selbstmorde vorführt und damit auch
das Hausmädchen Doris Pommerening) in Angst und Schrecken versetzt. Sein Leben ändert
sich, als er Maude (Eva Frohne) begegnet, einer schrulligen alten Dame mit eigenwilligen
Vorstellungen, was Moral und fremdes Eigentum betrifft. Unbeirrt und mit viel Power führt
sie ihren Kampf für ein selbstbestimmtes Leben und nimmt es mit allen Autoritäten auf:
etwa mit dem ständig überforderten Pfarrer (Peter Laier) und Yousef Mostaghim als
Polizeiinspektor, der auch noch andere Nebenrollen übernommen hatte.
Das Stück startet als schwarze Komödie und Regisseur
Daniel Frenz zieht mit vielen Gags und inszenatorischen Einfällen alle Register. Aber
dann kommt die Wende. Denn die Bewunderung Harolds für den anarchischen Freigeist Maude
mündet in eine Liebesbeziehung. Er will sie zum Entsetzen seiner Mutter heiraten. Aber
Maude wird ihren Lebensweg konsequent zu Ende führen. An ihrem 80. Geburtstag, so sagt
sie, bricht sie zu neuen Ufern auf. Matthias Hüther als Harold hat seine starken Momente,
wenn er sich die Mutter und die jungen Damen vom Leibe hält. Seine durch die Begegnung
mit Maude herbeigeführte Wandlung hin zu einem selbstbestimmten Leben hätte man
vielleicht noch etwas deutlicher herausarbeiten können.
Das Ereignis der Inszenierung ist aber Eva Frohne. Dank ihrer
körperlichen und sprachlichen Präsenz bringt die 80-jährige Schauspielerin
die Maude zu jeder Sekunde glaubhaft auf die Bühne. Durch ihre Darstellung bis zum
emotionalen Finale macht sie die Entwicklung des Stückes hin zur anrührenden
Tragikomödie absolut nachvollziehbar. Das Publikum, das bereits zu Beginn die Dialogpointen
mit Szenenapplaus belohnt hatte, war begeistert. Henner Klusch
Harold und Maude
BNN Ettlingen, Mittwoch 30. November 2016, Ausgabe Nr. 278
Aus der Zeit der Schlaghosen und Plateausohlen
kleine bühne Ettlingen inszeniert Harold und Maude / Premiere des Kultstücks am Freitag, 2. Dezember [Anm.: Premiere am Samstag, 3. Dezember]
Es begab sich zu der Zeit, als die Schlaghosen angesagt waren und
hohe Plateausohlen ein absolutes Muss darstellten, dass der Film Harold and Maude
in die Kinos kam eine Produktion, die heute immer noch Kultstatus genießt. Regie
führte damals Hal Ashby, das Drehbuch hatte Collin Higgins geschrieben, der den Stoff kurz
nach dem Filmstart 1971 als Roman und als Theaterstück verarbeitete. Derzeit probt das
Ensemble mit Regisseur Daniel Frenz der kleinen bühne die Bühnenfassung,
die Premiere wird am 2. Dezember sein.
Der Titel Harold und Maude gibt die zentrale Figurenkonstellation
wieder. Denn gezeigt wird eine eigentlich unmögliche Beziehung. Harold, Anfang 20, widersetzt
sich allen Versuchen seiner dominanten Mutter, ihn ins gesellschaftliche Leben zu integrieren,
mit inszenierten Selbstmordversuchen und anderen tiefschwarzen Aktionen. Dabei begegnet er der
80-jährigen Maude, einem Energiebündel mit einem Hang zur Anarchie und zur freien Lust
am Leben. Zwischen den beiden entsteht eine tiefe Liebesziehung, deren Auflösung hier nicht
vorweggenommen werden soll.
In der Wandlung Harolds vom gestörten jungen Mann mit einer morbiden
Macke zu einem selbstbestimmten Individuum liegt für Daniel Frenz der große Reiz dieses
Stückes: Manche sagen ja, der einstige Kultklassiker sei heute überholt, ich glaube
aber, dass die Problematik heute immer noch aktuell ist. Harold soll funktionieren. Und Maude ist
die einzige, die ihm sagt, er soll sein eigenes Ding machen und nicht auf andere hören.
Im Film hatten Ruth Gordon und Bud Cort die beiden Hauptrollen übernommen.
Bei der kleinen bühne ist man der Vorlage ganz nahe gekommen. Denn neben Matthias
Hüther (Harold) agiert Eva Frohne als Maude, die im Februar selbst den 80. Geburtstag feierte.
Sie liebt ihre Rolle: Ich kann mich da sehr gut hineinversetzen, weil ich selbst ein bisschen
wie Maude bin, in jeder Beziehung. Zwei kleine Unterschiede gibt es freilich. Ihre Fitness
und ihre Energie führt Eva Frohne auf die Tatsache zurück, dass sie täglich sportlich
aktiv ist. Das kann man sich bei der Bühnen-Maude ganz und gar nicht vorstellen.
Bei der Frage, ob zu den Gemeinsamkeiten mit Maude auch eine Romanze mit einem jüngeren Partner
gehört, hat Eva Frohne auch Bedenken: Da muss man dann womöglich sehr viel früher
aufstehen. Bei den letzten Proben ist Daniel Frenz hauptsächlich damit beschäftigt,
die Abläufe zu optimieren. Denn sein achtköpfiges Ensemble ist auch hinter der Bühne
gefordert. Die 18 Szenen erfordern rasante Wechsel und viele Umbauten, da müssen alle mit anpacken.
Übrigens: Den Status Kult erhielt Harold und Maude
erst nach einigen Jahren, denn bei der Premiere 1971 reagierte das Publikum sehr verhalten. Daniel Frenz
hat gute Gründe für die Annahme, dass das in Ettlingen nicht passieren wird.
Henner Klusch
Dinner für Spinner
BNN Ettlingen, Montag 4. Oktober 2016, Ausgabe Nr. 230
Neue Spielzeit eingeläutet
Premiere von Dinner für Spinner bei der kleinen bühne in Ettlingen
Mit technischer Raffinesse, Schauspielern in Bestform und den Lachern
auf ihrer Seite läutete die kleine bühne Ettlingen vergangenen Samstag mit Dinner
für Spinner die neue Spielzeit ein. Die Geschichte scheint simpel: ein wohlhabender
Verlagschef amüsiert sich mit Gleichgesinnten bei einem Abendessen über arglose Einfaltspinsel.
Wer den größten Idioten vorweisen kann, gewinnt. Allein zu diesem Zweck sind Pierre
Brochants (gespielt von Sven Herrmann) Dienstagabende reserviert, ganz zum Missfallen seiner Frau
(Silvia Szillat). Als an besagtem Dienstagabend Brochant von einem Hexenschuss lahmgelegt wird,
gelingt es ihm nicht seine Verabredung mit einem Weltklasse Trottel rechtzeitig abzusagen.
Der naive Zündholzmodellbauer und Finanzbeamte Francois Pignon (Markus May) steht vor Brochants
Tür und beweist eindrucksvoll, wie sehr vermeintliche Idiotie uns den Spiegel vorhalten kann.
Der von Markus May liebevoll trottelig dargestellte Pignon in seinem braunen Cordanzug, schafft es
durch seine unnachgiebige Hilfsbereitschaft schließlich Brochants gesamtes Leben maßgeblich
aus den Angeln zu heben. Durch seine Schmerzen körperlich hilflos, ist Brochant ein Ausgelieferter,
dessen schlechte Absichten sich letztendlich über ihn auszuschütten scheinen. Manchen
Zuschauer mag es selbst im Rücken gezwickt haben, ob Herrmanns überzeugender Darstellung
von Brochants Rückenleiden. Szenenapplaus und beinah durchgängige Lacher, begleiteten die
dynamische zweistündige Handlung. Melanie Waldenmaier aus Ettlingenweier fand sich gut unterhalten.
Die Zeit ging unglaublich schnell vorbei, ist ihr positives Urteil. Am Ende der ausverkauften
Premiere überreichte Schauspieler Bernd Hagemann der kleinen bühne symbolisch einen Scheck
in Höhe von 1 500 Euro, ein Betrag, mit dem sein Arbeitgeber insgesamt neun weitere ehrenamtlich
engagierte Mitarbeiter würdigte. Das Geld soll in die Bühnentechnik investiert werden.
nib
Blinde Rache
BNN Ettlingen, Montag 11. April 2016, Ausgabe Nr. 83
Scheiß Schwarz-Weiß!
Ausverkaufte Premiere von Blinde Rache in der kleinen bühne Ettlingen
Scheiß Schwarz-Weiß! Ty Bosworth brüllt, ihm bricht die
Stimme. Die Handlung steuert auf ihren Höhepunkt zu. Die ausverkaufte Premiere von Blinde Rache
vergangenen Samstag in der kleinen bühne Ettlingen verlangte ihren Zuschauern einiges ab. Das Stück
entwickelte sich entlang der Zerrissenheit seines Protagonisten Ty, den ehemaligen Polizisten, überzeugend
gespielt von Sven Herrmann. Dessen Tochter Alexandra (Jacqueline Grießer) wurde brutal vergewaltigt und
ermordet. Der eigentliche Mörder ist tot erschossen von der Polizei. Es bleibt dessen Anwalt Ellis
Burke (Bernd Hagemann), der den Geisteskranken einst frei sprach. Ty entführt Burke, er will ihn töten,
in seinen Augen die einzige gerechte Konsequenz.
Hat Burke nicht genauso Schuld am Mord an seiner Tochter? Wie schuldig kann sich der
Anwalt eines Mörders machen? Die Vergangenheit holt Ty immer wieder ein. Ty, den Trinker, der als Vater
schon versagt hat, als seine Tochter noch am Leben war. Zumindest beschuldigt ihn das seine Stiefmutter Willa
(Meta Kiefer-Klenk), die sich selbst sehnlich eine heile Familie wünscht. Auch die Ex-Frau und Mutter der
Ermordeten Claire Hoffman (Carmen Steiner) muss mit der Schuld leben, in ihrer Obhut wurde die Tochter entführt.
Zwischen allem steht Terry Bosworth (Matthias Hüther), der Bruder von Ty, der ihm
helfen will endlich wieder ein Stück Frieden zu finden. Aber durch Mord? Daniel Frenz Inszenierung zeigt
Menschen, die emotional nichts mehr verstecken können. Während Sven Herrmann als Ty Bosworth körperlich
und psychisch am Abgrund steht, versuchen die anderen Figuren weiterzumachen.
Erst in der Konfrontation und innerhalb der Möglichkeit auf Rache, müssen sich
alle entscheiden, wie dieses weitermachen aussehen soll. Der Höhepunkt packte Schauspieler und
Zuschauer gleichermaßen. Grandios blieb Bernd Hagemann als einziger Ruhepol, der analytisch das Rechtssystem
mit all seinen Stärken und Schwächen darstellte, fast bis zuletzt nicht sehend, worin seine Schuld liegen
soll. Lang anhaltender Applaus, deutlich länger als man es bei gegebener Thematik vermuten könnte, belohnte
die Darsteller für den Vorstellungskraftakt. Die Zuschauerreaktionen waren durchweg positiv. Die Thematik regte
zu lebhaften Diskussionen in der Pause und im Anschluss des Stückes an. Ist halt nichts zum Lachen,
meinten einige Besucher. Das muss es auch durchaus nicht immer sein.
Nicole Bengesser
Blinde Rache
BNN Ettlingen, Mittwoch 6. April 2016, Ausgabe Nr. 79
Das wird hier nicht gut enden
Am Samstag ist in der kleinen bühne Ettlingen die Premiere des
Psychothrillers Blinde Rache
Die Spannungskurve eines Psychothrillers verläuft unerwartet. Er lebt
von der Unberechenbarkeit seiner Protagonisten, deren emotionale Konflikte durch die Handlung tragen.
In der Inszenierung des Schauspiels Blinde Rache des Amerikaners Michael McKeever wird der
Grundton des Tragischen bereits in der ersten Szene über die Klaviermusik hervorgehoben. Und Ty
Bosworth, dargestellt von Sven Herrmann, der soeben den bewusstlosen Mörder seiner Tochter in seine
Wohnung schleppt, verrät: Das hier wird nicht gut enden. Relativ neu, relativ
unbekannt, beschreibt Regisseur Daniel Frenz das Stück Blinde Rache des
amerikanischen Autors Michael McKeever.
In der Inszenierung der kleinen bühne Ettlingen beschränkt sich
das Bühnenbild auf das Wesentliche: ein schwarzes Sofa, ein Regal mit Spirituosen und ein
einzelner Bilderrahmen auf einem Tisch. Dazwischen zwei Türen, von denen mindestens eine der
Eingang zu einem Verlies geworden ist. Nach zwei Komödien wollten wir wieder etwas Ernstes
auf die Bühne bringen, erklärt Frenz. Gesucht habe man einen Psychothriller von
ähnlicher Intensität wie das 2015 aufgeführte Stück Misery nach
Stephen King. Blinde Rache hatte erst im vorigen Jahr Deutschlandpremiere.
Das Profil des Autors McKeever hat Tiefe. Seine Arbeiten umfassen Dramen wie
auch Komödien. Blinde Rache, auf Englisch Unreasonable Doubt, leuchtet in
die Abgründe menschlicher Verzweiflung hinein. Das fordert Schauspieler und Regisseur gleichermaßen.
Das Stück hat uns emotional oft an Grenzen gebracht, erklärt Meta Kiefer-Klenk, welche
die Stiefmutter von Ty spielt.
Jede der sechs Rollen hat ihren eigenen schwarzen Fleck auf der Seele. Neben
Tys Stiefmutter gibt es noch seinen Bruder Terry, die Ex-Frau und Mutter des getöteten Mädchens
Claire, die Tochter, als personifizierten Rachegedanken und schließlich den Star-Anwalt Burke, der
sich Ty ausgeliefert sehen muss. Um diesem vielschichtigen psychologischen Drama einen gerechten Rahmen
zu bieten wurde vorab viel gesprochen. Starker Körper, starker Geist, spricht Ty wie im
Wahn ständig vor sich hin. Für welche Art von Stärke wird er sich entscheiden?
Nicole Bengesser
Romeo und Julia
BNN Ettlingen, Montag 22. Februar 2016, Ausgabe Nr. 43
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche
Romeo und Julia hatte am Samstag in der kleinen bühne
beim Jugendtheater Arcobaleno in Ettlingen Premiere
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, sagt Julia zu ihrem Romeo,
weil sie nicht will, dass er bereits aufbricht. Dieser muss aber fliehen, weil der Konflikt zwischen den
verfeindeten Familien Montague und Capulet Opfer gefordert hat. So ist dies die letzte Nacht der beiden
Liebenden am Ende finden sie beide durch ein tragisches Missverständnis den Tod durch die eigene
Hand. Dies ist die Handlung von Romeo und Julia, dem wohl berühmtesten Liebespaar der
Weltliteratur. Am Samstag hatte das Stück von William Shakespeare in der kleinen bühne
Ettlingen beim Jugendtheater Arcobaleno Premiere.
Für ihr junges Ensemble hat Regisseurin Ute Merz eine Fassung geschrieben,
die den gewaltigen Stoff komprimiert und mit modernen Theatermitteln ergänzt. So bleibt die klassische
Sprache erhalten, wird aber immer wieder durch aktuelle Anspielungen unterbrochen, etwa wenn ein Fechtduell
als Boxkampf präsentiert wird. Eine Reporterin strukturiert die Handlung in bester Fernsehmanier als
Doku-Drama, stellt die Personen vor und interviewt sie. Es gibt selbst gedrehte Videoeinspielungen
(Technik: Udo Schmitz) und Liebeslieder, wie überhaupt die eingesetzte Musik immer wieder als Leitmotiv
das Verständnis des komplexen Stoffes erleichtert. Diese interessante Vorlage verlangt dem Ensemble einiges
ab, denn es werden schnelle Rollenwechsel verlangt. Rebecca Sauber ist sowohl als Reporter und als Bruder
Lorenzo im Einsatz, als Graf Paris buhlt sie mit viel Geld um die Hand Julias. Die Kostümwechsel klappen
hervorragend, zudem erhält jede Figur einen eigenen Akzent. Dies gilt auch für Juliane Schwarzwald,
die sowohl als Julias Mutter, die Gräfin Capulet überzeugt, als auch in der Rolle des fiesen Tybalt.
Miriam Kirchhoff hat als Amme ihren großen Auftritt. Magdalena Kraft, Louise Schmidtgen und Charlotte Komma
verleihen ihren Rollen ebenfalls viel Profil. Auch die beiden Protagonisten der Handlung liefern eine starke
Leistung ab. Jonas Schlump als Romeo macht die Wandlung vom melancholischen Zauderer am Anfang zum schwer
verliebten jungen Mann glaubhaft. Und Magdalena Kraft gibt eine anrührende Julia, der man die große
Emotion jederzeit abnimmt.
Der bleibende Eindruck dieser Inszenierung ist, dass das Wagnis, den alten Stoff neu
zu deuten, gelungen ist. Dies könnte vor allem jungen Theaterbesuchern einen Zugang zu Romeo und
Julia ermöglichen. Henner Klusch
Romeo und Julia
BNN Ettlingen, Samstag 13. Februar 2016, Ausgabe Nr. 36
Ein spannender Theaterabend zu erwarten
Jugendtheater Arcobaleno der kleinen bühne Ettlingen studiert
Romeo und Julia ein
Die Story ist bekannt: Die Familien Montague und Capulet im mittelalterlichen Verona
sind bis auf den Tod verfeindet. Deshalb kann die innige Liebe ihrer Kinder auch nur im Unglück enden.
William Shakespeare hat den Stoff von Romeo und Julia zu einem seiner größten Stücke
verarbeitet. Am kommenden Samstag bringt das Jugendensemble Arcobaleno das Werk auf die Bühne
der kleinen bühne. Und nach den Eindrücken von einer der letzten Proben kann dies ein
spannender Theaterabend werden.
Vor einem Jahr hat sich die Schauspielerin und Theaterpädagogin Ute Merz mit ihrem
Ensemble an die Arbeit gemacht. Die Lektüre des Originaltextes von Shakespeare war für das junge
Ensemble ebenso sperrig wie frustrierend. Nachdem man aber diverse moderne Adaptionen gelesen und den Film zum
Thema gesehen hatte, wuchs gemeinsam die kollektive Einsicht: Man wollte das Stück in der ursprünglichen
Sprache aufführen und aus der heutigen Sicht allenfalls kommentieren. Dieser Spagat wird zum Beispiel auch
in den Kostümen deutlich. Da passen Turnschuhe zu Mönchskutten. Und Dolch und Degen bei den
Fechtszenen unterstützte ein eigens verpflichteter Trainer sind auch mit Jeans kompatibel.
Um nun aber die Auffassungsgabe der jungen Zuschauer nicht zu überfordern, hat
Ute Merz eine eigene Fassung der dramatischen Vorlage geschrieben. Die sechzehn Szenen konzentrieren sich
hauptsächlich um die Liebesgeschichte von Romeo (Jonas Schlund) und Julia (Magdalena Kraft), die beide
auch überzeugend auf die Bühne bringen. Dass die Protagonisten auch altersmäßig der Vorgabe
Shakespeares entsprechen Julia war bei Probenbeginn 14 Jahre alt ist eine kleine Pointe am Rande.
Die ausufernde Familienfehde wird in dieser Fassung fast völlig ausgeblendet.
Für den nötigen Kontext sorgt die neue Figur des Reporters (Rebecca Sauber), der mit Ansagen
und Interviews mit den Akteuren den Zusammenhang wieder herstellt. Dazu gibt es [...] Videos, die das achtköpfige
Ensemble selbst in Ettlingen produziert hat. Die Stimmung bei der Probe ist gekennzeichnet von einer Mischung aus
konzentrierter Arbeit und persönlichem Flachs. Dabei ist erkennbar, wie stark die Regisseurin Ute Merz ihr Ensemble
in die Inszenierung einbindet. Vorschläge der Schauspieler, die Requisiten und Umbaupausen betreffend, werden sofort
ins Laptop der Regie eingespeichert. Es spricht aber für die theaterpädagogische Kompetenz von Ute Merz,
dass die Diskussionen um szenische Details nie ausufern, sondern zielführend in die Inszenierung
eingeführt und umgesetzt werden. Deshalb kann man auf diese Produktion gespannt sein.
Henner Klusch
Die 39 Stufen
BNN Ettlingen, Dienstag 24. November 2015, Ausgabe Nr. 272
Viel Arbeit fürs Ensemble
39 Stufen hatte bei der kleinen bühne Premiere
Der Autor John Buchan hatte schon festgestellt, dass die Verfilmung seines
Agententhrillers Die 39 Stufen durch Alfred Hitchcock weitaus besser als das Buch gewesen
sei. Zur Bühnenfassung es Stoffes durch Patrick Barlow konnte sich Buchan nicht äußern,
sie entstand lange nach seinem Tod im Jahr 2006 in London. Fakt ist aber, dass die 39 Stufen
ein großer Theaterspaß und eine Steilvorlage für die Schauspieler sind dies der
Eindruck nach der Premiere am Samstag in der kleinen Bühne.
Barlow hat die Krimihandlung mit Mord und Totschlag, gestohlenen
Geheimdokumenten, einem Agentenring namens 39 Stufen und einer aufregenden Jagd quer durch
Schottland zu einer Bühnenfarce für wenige Schauspieler umfunktioniert. Sven Herrmann
gibt den Richard Hannay, der wie einst Dr. Kimble unschuldig unter Mordverdacht steht und dann auf der
Flucht sich immer wieder aus ausweglosen Situationen befreien und ins Happy End retten muss.
Diese Handlung umzusetzen bedeutet schwere Arbeit für das Ensemble. Denn
es gilt, blitzschnell die Rollen zu wechseln und dazu auch noch die Requisiten und das Bühnenbild zu
organisieren. Carmen Steiner wird anfangs als Agentin gemeuchelt, taucht später als Theatergirl und
im schottischen Gewand auf. Der wackere Matthias Hüther hat gleich neun Personen darzustellen, darunter
auch zwei weibliche. Yousef Mostaghim glänzt vor allem in der wichtigen Figur des Gedächtniskünstlers
Mr. Memory. Meta Kiefer-Klenk hat von der Putzfrau bis zum fiesen Professor Jordan auch diverses im Angebot,
das gleiche gilt für Ekhart Kalytta, der am Ende als Inspektor an der Lösung beteiligt ist. Und
Silvia Szillat überzeugt vor allem als Pamela, die mit Hannay auf der Flucht ist und zunächst an
ihn gekettet, später aber von ihm gefesselt ist. Regisseur Daniel Frenz hat die turbulente Handlung
temporeich mit mit sicherem Gespür für die Pointen inszeniert. Vor allem hat er zusammen mit
Daniel Dembinski auf der Bühne eine Spielwiese geschaffen, auf der die Gags richtig zünden können.
Das mündet in starken Momenten in puren Slapstick: Für die Flucht
aus dem Fenster genügt ein hochgehaltener Holzrahmen. Dazu gibt es musikalische Leitmotive: In
erotischen Momenten ertönt dann der Schmuseklassiker Je t’aime. Einige wenige Zutaten
wie der Hitler-Auftritt wirken übertrieben, dass diverse Dialekte verwendet werden, ist auch nicht
immer nachvollziehbar. Aber das sind geringe Einwände angesichts der Spielfreude, mit der sich die
sieben Akteure durch die furiose Handlung schlagen. Dafür gab es Beifall auf offener Szene und am Ende
viel Applaus. Diesen letzten Auftritt hatte Daniel Frenz perfekt choreografiert.
Henner Klusch
Die 39 Stufen
BNN Ettlingen, Freitag 13. November 2015, Ausgabe Nr. 263
Auf den Spuren von Meister Hitchcock
In der kleinen bühne Ettlingen haben 39 Stufen kommende Woche Premiere
Beim Stichwort 39 Stufen klingelt es bei Kinokennern: 1935 hat
Alfred Hitchcock einen seiner besten Filme gedreht. In dem Agententhriller geht es natürlich darum,
England und die ganze Welt vor einer gigantischen Verschwörung zu retten. Ging Hitchcock mit der
Buchvorlage des englischen Autors John Buchan schon ziemlich frei um, so setzte sein Landsmann Patrick
Barlow 2006 noch eins drauf: Seine Bühnenfassung des Stoffes reduziert das Ganze auf wenige Schauspieler,
die die Geschichte mehr oder weniger nachvollziehen; mit geradezu aberwitzigen Raum- und Personenwechseln.
Diese Version, die mehr an Monty Python als an Hitchcock erinnert, hat am 21. 11 in der Ettlinger
kleinen bühne Premiere.
Beim Probenbesuch wirkt Regisseur Daniel Frenz relativ entspannt; er hat bereits
in der letzten Spielzeit mit dem Hexer von Edgar Wallace seine Krimi-Tauglichkeit bewiesen.
Die Inszenierung steht im Prinzip, nun geht es noch darum, an den Feinheiten der Technik, für die
Berthold Steiner verantwortlich ist, und an den szenischen Übergängen zu feilen. Aber der
äußere Eindruck täuscht: Gespannt verfolgt Frenz das Geschehen auf der Bühne und sorgt
mit knappen Anweisungen dafür, dass die Ton- und Lichtregie klappt. Denn nur so können die
Schauspieler das Tempo permanent hochhalten. Ursprünglich war die Stückvorlage für vier
Personen gedacht, Daniel Frenz hat sie nun aus Besetzungsgründen auf sieben Schauspieler erweitert.
Fest steht, dass Sven Herrmann den Richard Hannay gibt, der nach dem Mord an der Agentin (Carmen Steiner)
auf die große Jagd getrieben wird.
Derweil hat das übrige Ensemble viel zu tun. Man muss gar viele Rollen
verkörpern und die Requisiten auf der Bühne verteilen zum Teil sogar gleichzeitig. Dazu
genügt in einer Szene ein Wechsel der Kopfbedeckung. Das ergibt dann einen vergnüglichen Mix aus
Slapstick und krimineller Hochspannung. Für Daniel Frenz ist das Stück für die Schauspieler
und zugleich für das Publikum eine Herausforderung: Wir haben hier sehr viele Rollen und zugleich
über zwanzig Ortswechsel, die wir mit einfachen Mitteln darstellen. Da muss sich der Zuschauer schon
darauf einlassen.
Für diejenigen, die den Film von Hitchcock gesehen haben, hat Frenz aber
einen Hinweis: Fast alle Dialoge des Stücks kommen im Film auch vor.
Henner Klusch
Der eingebildete Kranke
BNN Ettlingen, Dienstag 6. Oktober 2015, Ausgabe Nr. 230
Ein großes Fest hintersinniger Komik
Moliére-Stück Der eingebildete Kranke hatte
bei der kleinen bühne in Ettlingen Premiere
Ich bin nicht blöd, ich sehe alles, was in diesem Haus vorgeht
ruft Toinette empört. In der Tat, Argans Dienstmädchen behält über die gesamte Länge
von Moliéres Komödie Der eingebildete Kranke den Überblick.
Die Inszenierung von Bernd Hagemann der in einer kleinen Rolle als Argans
Arzt auftaucht hatte am vergangenen Samstag an der kleinen bühne Premiere und sorgte
in höchst unterhaltsamen knapp zwei Stunden dafuür, dass auch der Zuschauer immer den Überblick
behalten konnte.
Da ist zum einen Argan, der eingebildete Kranke, der im Nachtgewand und mit Schlafmütze
(die an Wilhelm Buschs Figuren erinnert) gramgebeugt durch das Stück schleicht. Mit dem Plan, seine Tochter
Angélique zwischen naiv-kindlich und selbstbewusst erwachsen gespielt von Melanie Burghardt
an den Sohn eines reichen Arztes zu verheiraten. Biolzis Argan verschafft dieser zwiespältigen Figur
einiges an Sympathie des Publikums. Einerseits ist er der Geldgierige. Anderseits kann der Zuschauer nicht
anders, als diese tapsige, eigentlich nicht selbstbestimmte Figur irgendwie zu mögen. Er spricht ein
Machtwort: In diesem Haus wird nicht gebruüllt. Wenn einer brüllt, bin ich es und
schaut dabei, als glaube er es sich selbst nicht.
Seine Gattin Béline dagegen wird von Monika Hertrampf wunderbar hart am Rand
der Karikatur als die dargestellt, die sie ist: Eine notorische Heuchlerin, die es vor allem auf Argans Geld
abgesehen hat, denn zu übertrieben ist die dick aufgetragene Zuneigung zum Gatten.
Eine Schlüsselrolle spielt das Dienstmaädchen Toinette, das am Ende alle
Fäden in der Hand hält und wie ein stets anwesender Deus ex Machina eine Art Happy End herbeiführt.
Eva Frohne spielt Toinette als listige, aber nicht hinterlistige Frau, die ihre intime Kenntnis der Verhältnisse
im Hause Argan geschickt einzusetzen weiß und dabei genau die Balance zwischen Aufmüpfigkeit und Anpassung kenn.
Wenn man will, kann man das Leiden des eingebildeten Kranken auch als Parodie auf aktuelle
Befindlichkeiten lesen, die Inszenierung forciert diese Lesart aber dankenswerterweise nicht mit der Brechstange.
Aber es ist alles da: Der Gesundheitswahn, der Hypochondrie beflügeln kann und der Streit zwischen Schulmedizin
und Naturheilkräften wie er im dritten Akt in einer Brandrede von Argans Bruder Béralde (Peter Laier)
auf die Bühne gebracht wird, während der Wahnsinn von allen Seiten an Argan zerrt: Da ist die Apothekerin
(Olga Humpfer), in deren Haänden der Einlauf nachgerade zur militärischen Angriffswaffe wird. Da ist Cléante,
der Liebhaber der Tochter, von Lukas Buck als herzinniger Großromantiker gespielt. Und da sind vor allem der
avisierte Schwiegersohn Thomas (Felix Kühn) und sein Vater Doktor Diafoirus (Markus May), die eine Untersuchung
des Patienten zu einem Festival absurder Hochkomik machen. Mit dem Ergebnis: Es gibt einen Kanal zwischen Milz
und Leber, und der heißt Parmesano Spekulatius. Das Publikum dankte der kleinen bühne
für eine stimmige Inszenierung und eine überzeugende Ensemble-Leistung mit enthusiastischem Beifall.
Thomas Zimmer
Misery
BNN Ettlingen, Montag 30. März 2015, Ausgabe Nr. 74
Zunehmende Spannung
Die kleine bühne hatte Premiere des Psychostückes
Misery nach Stephen King
Häufig war der Bestsellerautor Stephen King nicht zufrieden, wenn seine
Romane verfilmt wurden. Die Theaterfassung des englischen Kollegen Simon Moore zu Misery
als Zwei-Personen-Stück hat ihm immerhin gefallen und wurde als einzige vom Meister autorisiert.
So erlebte das Publikum in der kleinen bühne am Samstag Stephen King pur
und einen beeindruckenden Theaterabend obendrein. Denn unter der Regie von Luigi Biolzi boten Carmen
Steiner und Daniel Frenz eine famose Premierenvorstellung.
Der Plot ist bekannt: Nach einem Unfall landet der Autor Paul Sheldon im
Haus von Annie Wilkes, die ein großer Fan seiner Romanheldin Misery ist. Mit einer
Mischung aus psychischem Druck und physischer Gewalt zwingt Annie den schwerverletzten Paul, den Romantod
Miserys in einem neuen Werk zu korrigieren. Der Psychoterror Annies eskaliert immer mehr und Paul schreibt
buchstäblich um sein Leben. Die Reduktion dieser Grundkonstellation auf zwei Personen,
die durch ein minimalistisches Bühnenbild und die Regie Luigi Biolzis noch zugespitzt wird, verlangt
den Schauspielern alles ab. Der anfängliche Eindruck, die Handlung sei doch sehr konstruiert, ist
schnell widerlegt. Man verfolgt mit zunehmender Spannung, wie das Duell der beiden weitergeht. Carmen
Steiner macht aus ihrer Annie eine gestisch und sprachlich überzeugende Studie mit all den
Stimmungswechseln, die von vorgeblichem Mitgefühl bis hin zu brachialem Einsatz von Gewalt reichen.
Ihre Geistesgestörtheit, zunächst nur in Andeutungen erkennbar, bricht immer mehr durch.
Daniel Frenz überspielte das Handicap, als Paul über weite Strecken
sehr eingeschränkt bewegungsfähig zu sein, dennoch mit vollem Körpereinsatz und sprachlicher
Differenzierung. Unterstützt wurde er dabei durch eine einfallsreiche Lichtregie (Technik: Berthold
Steiner, Udo Schmitz), etwa bei den Szenen, die den Fortschritt seiner Schreibarbeit zeigen. Frenz
produzierte auch zwei Videosequenzen, die die Handlung sinnvoll strukturierten.
Es mag etwas herablassend klingen, wenn man einem Amateurtheater eine fast
professionelle Leistung bescheinigt. Aber hier trifft es zu. Luigi Biolzi hat mit seinem Assistenten
Werner Stumpp aus der Vorlage und den Darstellern sehr viel herausgeholt. Dass die Handlung nach der Pause
etwas durchhängt geschenkt. Denn dann setzt das furiose Finale den Schlusspunkt der Inszenierung,
für die es großen Beifall gab. Henner Klusch
Misery
BNN Ettlingen, Montag 3. März 2015, Ausgabe Nr. 51
Dramatische Szenen eines Amoklaufes
kleine bühne Ettlingen spielt den Thriller Misery
nach der Romanvorlage von Stephen King
Ein Mann liegt im Bett. Er leidet sichtbar. Seine Gesichtszüge sind schmerzverzerrt.
Eine Frau kümmert sich um ihn, tupft ihm die Stirn ab, bringt ihm etwas zu essen. Nein, er müsse nicht
ins Krankenhaus, beschwichtigt sie, sie sei Krankenschwester, ihr Name Annie Wilkes. Den verletzten Mann,
Bestsellerautor Paul Sheldon, hat sie aus seinem von der Straße abgekommenen Auto gezogen. Die beiden
gespielt von Carmen Steiner und Daniel Frenz sind die Protagonisten von Simon Moores Psychothriller
Misery nach der Romanvorlage von Stephen King. Annies Verhalten, das zunächst wie selbstlose
Fürsorge erscheint, entpuppt sich als der dramatische Amoklauf einer Geistesgestörten. […]
Das ist für die kleine bühne was Neues: Ein Thriller, bei dem es richtig
zur Sache geht. Wir haben den ersten Akt schon mal bei den Proben vor Leuten gespielt, und die waren ziemlich
überrascht, sagt Regisseur Luigi Biolzi. […]
Biolzi
fasziniert an Misery die Verwandlung der Krankenschwester in eine Furie, und Darstellerin Carmen Steiner
sagt: Das Spannende ist ja, dass die Frau zunächst so richtig lieblich ist. Für Steiner ist
das Stück eine Herausforderung vor allem wegen der Riesenmenge Text, die sie zu lernen hatte. Und ihr Gegenpart
Daniel Frenz hat vor allem im ersten Akt die schwierige Aufgabe, in einer liegenden Rolle allein mit Gestik, Mimik
und Stimme zu überzeugen.
Das Publikum muss merken, dem geht es schlecht, aber es darf nicht so überzogen
sein, dass es zur Persiflage wird, beschreibt er die Herausforderung.
Wie es sich für einen Psychothriller gehört, soll möglichst wenig von der
Interaktion der handelnden Personen ablenken. Dementsprechend karg und einfach ist das Bühnenbild. […]
Unterschiedliche Beleuchtungseinstellungen
und zugespielte Geräusche besorgen den Rest. Auf Schockeffekte verzichtet die Inszenierung bewusst. Es
gibt auch eine sehr drastische Szene, in der wir aber nur andeuten, was tatsächlich passiert. Der Zuschauer
soll sich selbst eine Vorstellung machen, erklärt der Regisseur geheimnisvoll. Und mehr verrät er
auch nicht. Thomas Zimmer
Der Hexer
BNN Ettlingen, Montag 29. September 2014, Ausgabe Nr. 225
Spannung bis zum letzten Moment hoch
Für Hexer-Aufführung der kleinen bühne Ettlingen
gab es zu Recht viel Beifall
Der Plot ist hinreichend bekannt: Henry Arthur Milton alias Der Hexer
ist der Meister der Maske. Er will den Tod seiner Schwester rächen, für den er den Anwalt Maurice
Masters verantwortlich macht. Der wird auch mit einer Kreissäge ins Jenseits befördert. Und so
reduziert sich alles auf die Frage: Hinter welcher Person verbirgt sich nun der Hexer? Am Samstag
hatte dieses Krimirätsel in der Kleinen Bühne Ettlingen Premiere.
Die Vorlage stammt bekanntermaßen von Edgar Wallace, der den Stoff 1925 zuerst
als Roman und dann als Bühnenstück herausbrachte. Der Würzburger Autor Matthias Hahn hat daraus
eine Fassung für ein kleines Ensemble geschrieben. Für Regisseur Daniel Frenz war dies eine Vorlage
zu einer stimmigen Inszenierung, für die es zu recht viel Applaus gab. Der dramaturgischen Beschränkung
auf einen Schauplatz, das Wohnzimmer des Anwalts, und eine gewisse Textlastigkeit begegnet Frenz dadurch, dass
er das Tempo stets hochhält und etliche gute Einfälle integriert. Dazu gehören die Lichtregie mit
einer gekonnt inszenierten Schlägerei in Zeitlupe unter dem Stroboskop und passende musikalische Akzente,
wobei auch die Filmmusik von Peter Thomas zitiert wurde. Dazu konnte sich Frenz auf ein spielfreudiges Ensemble
verlassen. Sven Herrmann hielt als Anwalt bis zu seinem Ende die Balance zwischen jovialem Äußeren
und ziemlich krimineller Energie. Und wer ist nun der Hexer?
Ohne zu viel verraten zu wollen: Die Damen stehen auf der Liste der Verdächtigen
ganz hinten. Carmen Steiner präsentierte sich als resolute Polizeiinspektorin. Die propere Anna Plummer
als Hexer-Ehefrau Cora hielt bis zu letzt die Frage offen, ob sie ihren Mann unter der Maske nicht
erkennt oder nur so tut als ob. Bleiben die Männer: Der Chefinspektor Bliss (Bernd Hagemann) und sein
französischer Kollege (Matthias Hüther), die den Anwalt schützen sollen. Und die beiden Jungs
mit krimineller Vergangenheit. Peter Werner lieferte als Butler Hackitt schöne Dialogpointen und Yousef
Mostaghim alternativ mit Markus May besetzt beeindruckte als Ex-Knacki Lenley auch durch seine
körperliche Präsenz.
Dass es Regisseur Frenz gelungen war, die Spannung hochzuhalten, belegt ein Pausenquiz.
Die Zuschauer sollten raten, wer denn nun als Hexer in Frage komme. Es waren recht wenige Treffer
dabei. Henner Klusch
Der Hexer
BNN Ettlingen, Dienstag 23. September 2014, Ausgabe Nr. 220
Wenn der Hexer nach Ettlingen kommt
Die kleine bühne Ettlingen inszeniert den Edgar-Wallace-Krimi / Samstag ist Premiere
Die Edgar Wallace Filme der 60er-Jahre sind vielen auch jüngeren Krimifans
auch heute noch ein Begriff. Was auch an dem kürzlich verstorbenen Joachim Blacky Fuchsberger liegen
mag, der rund ein Dutzend der deutschen Wallace-Verfilmungen als einer der Hauptdarsteller prägte. Auch Regisseur
Daniel Frenz, Jahrgang 1976, der das Theaterstück von Matthias Hahn nach der Romanvorlage jetzt für die kleine
bühne Ettlingen inszeniert, ist durchaus ein Wallace-Fan. Natürlich passt ein Wallace auch ins Programm des
Theaters, das immer wieder mal gern intelligente Unterhaltung anbietet, die nicht allzu schwere Kost sein soll.
Der Hexer das ist Henry Arthur Milton, der auf einem Rachefeldzug ist. Er bringt alle
um, die durch die Maschen des Gesetzes geschlüpft sind, und benutzt dabei viele Masken. Kein Wunder, dass die
Scotland-Yard-Ermittler größte Probleme haben, dieses Chamaäleon zu fassen. Was in der Zusammenfassung
so prickelnd klingt, fand Daniel Frenz durchaus verbesserungsbedürftig: Seine Inszenierung kommt mit weniger Text
aus, setzt dafür mehr auf turbulente Action. Der Anfang ist ziemlich zaäh, weil nur viel geredet wird
und eigentlich nichts passiert. Wir haben versucht, dem ganzen ein bisschen mehr Tempo zu geben und alles etwas skurriler
zu inszenieren.
Das Bühnenbild unterstreicht das. Es strahlt eine gewisse, auch sehr englische Patina aus.
50er Jahre oder 60er Jahre vielleicht? Wir haben es eigentlich in keiner bestimmten Zeit angesiedelt, meint
Frenz. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass etwa die Queen heute noch ein solches Wohnzimmer hat.
Den Hexer auf die Bühne zu bringen, habe auch ganz praktische Gründe, sagt Carmen Steiner, die
Vorsitzende der kleinen bühne. In dem Stück gibt es nur zwei Frauenrollen, und wir haben einfach zu wenig
Frauen im Ensemble. Über ein Stück mit sieben weiblichen Rollen bräuchten wir erst gar nicht nachdenken.
Zudem passen die verfügbaren Schauspieler bestens für die Wallace-Inszenierung, freut sich der Regisseur:
Ich habe zu 90 Prozent sofort gewusst, wer welche Rolle spielen sollte. Den 'Hexer' können wir auch
gut an Silvester spielen, meint Carmen Steiner. Mit schwierigeren Stoffen wäre das eher nicht möglich. Man
habe generell die Erfahrung gemacht, dass dass man mit nicht so bekannten Stücken die Leute nicht im
gewünschten Maß ins Theater locken kann. Von ihrem Anspruch will die kleine bühne sich in Zukunft
dennoch nicht verabschieden. Es wird keine Beschränkung auf todsichere Publikumsfavoriten geben. Die
Mischung macht's: So wird im März kommenden Jahres Misery gespielt. Ein Psychothriller nach dem Roman
von Stephen King. Wenn die Zuschauer ins Theater kommen, auch wenn sie ein Stück nicht kennen, weil sie wissen,
dass die kleine bühne immer Qualität bietet, dann hätten wir viel erreicht umreißt Carmen
Steiner die Zukunftsperspektive. Thomas Zimmer
Die Physiker
BNN Ettlingen, Dienstag 22. April 2014, Ausgabe Nr. 92
Eine Komödie mit Wendungen
kleine bühne ettlingen spielt als Eigeninszenierung
Dürrenmatts Die Physiker
Muss die Wissenschaft haltmachen, wo ihre Folgen unkalkulierbar werden? Oder
ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen, was einmal gedacht wurde? Die Fragen, mit denen sich Friedrich
Dürrenmatts Komödie Die Physiker aus dem Jahr 1961 beschäftigt, sind noch
immer hochaktuell. Die kleine bühne ettlingen brachte das Stück jetzt in einer
gelungenen Eigeninszenierung auf die Bühne, am Samstagabend erntete die Premiere großen Applaus.
Regisseur Bernd Hagemann setzte die überraschenden Wendungen, immer neuen Spannungsbögen und
die gegensätzlichen Standpunkte der Figuren überzeugend in Szene und die Akteure überzeugten
mit ihren schauspielerischen Leistungen.
Bin ich eigentlich verrückt?, fragt sich Inspektor Voß
(Adrian Müller), der bereits wegen des zweiten Mordes an einer Krankenschwester in einer psychiatrischen
Heilanstalt ermittelt. Den beiden Tätern kommt er nicht bei, sind sie doch offenkundig verrückt.
Einer hält sich für Albert Einstein (Peter Werner), der andere für Isaac Newton (Sven Herrmann).
Die bucklige Leiterin Dr. von Zahnd (Eva Frohne) wacht über die Physiker, an ihr und Oberschwester Marta
(Regina Penderock) kommt der wackere Inspektor nicht vorbei. Der dritte Physiker im Haus, Johann Wilhelm
Möbius (Markus May), behauptet, ihm erscheine König Salomo. Er gibt den Irren, als seine Frau
(Monika Hertrampf) sich verabschiedet, um mit ihrem neuen Mann (Peter Laier) auszuwandern. Schwester Monika
(Anna Plummer) aber hegt den Verdacht, Möbius spiele nur den Verrückten, und gesteht ihm ihre Liebe.
Dem Publikum schwant Böses, denn dies taten ihre ermordeten Kolleginnen zuvor auch bei Newton und Einstein.
Was im ersten Akt wie ein Kriminalstück beginnt, entwickelt sich im zweiten Akt
zu einem Lehrstück über die Folgen, die wissenschaftliche Erkenntnisse für die Menschheit haben
können, aber auch für diejenigen, die zu den Erkenntnissen gelangten. Denn im Sanatorium ist in
Wirklichkeit keiner der Insassen verrückt. Möbius trägt die Narrenkappe, um die von
ihm entdeckte Weltformel zu verstecken und vor Missbrauch zu schützen. Newton und Einstein sind Agenten,
die es auf diese Formel abgesehen haben. Wegen der Morde zur Vertuschung finden sich die drei plötzlich
tatsächlich als Gefangene wieder. Mit Augenzwinkern präsentiert die Truppe den Wandel von der noblen
Anstalt in einen Hochsicherheitstrakt. Beim Abendessen diskutieren die Physiker ihre Lage und moralische Aspekte
der Wissenschaft. Nur hier im Irrenhaus sind wir frei und können wir noch denken. In der Freiheit
sind unsere Gedanken Sprengstoff, sagt Möbius. Die anderen sehen ihn in der Pflicht, seine
Forschungsergebnisse zu teilen. Am Ende aber steht wieder eine überraschende Wendung.
Holger Schorb
Die Physiker
BNN Ettlingen, Mittwoch 16. April 2014, Ausgabe Nr. 89
Wer ist verrückt und wer nicht?
Die kleine bühne Ettlingen spielt Dürrenmatts Die Physiker
2011 hatte Bernd Hagemann sein Debüt als Regisseur für die kleine
bühne Ettlingen. Damals inszenierte er die Komödie Ladykillers, derzeit setzt er
Friedrich Dürrenmatts Die Physiker in Szene. Im Mittelpunkt des Stückes, das am
kommenden Samstag Premiere hat, stehen drei Physiker, die sich als Geisteskranke ausgeben und in einer
Irrenanstalt leben. Einer behauptet, Albert Einstein zu sein, der andere ist überzeugt, er sei
Isaac Newton. Der dritte in dieser seltsamen Runde ist Johann Wilhelm Möbius, er will die Weltenformel
erfunden haben. Wehe, wenn sie in falsche Hände gerät.
Dürrenmatts Klassiker läuft ebenfalls unter der Genre-Bezeichnung
Komödie, ist aber ein ganz anderer Stoff: Das Thema Wissenschaftler und Politik, das Thema
Verantwortung der Wissenschaft, ist immer aktuell, sagt Bernd Hagemann. Wir sehen es ja auch
gerade wieder, wenn wir die Meldungen hören, dass 18 Millionen E-Mail-Adressen geknackt wurden.
Ihm gefalle, dass man nie so recht weiß, wer ist nun verrückt, und wer ist es nicht.
Hagemann erinnert sich, von dem Stoff schon als Schüler begeistert gewesen zu sein, nicht zuletzt
durch die Verfilmung aus dem Jahr 1964 mit Gustav Knuth, Therese Giehse, Siegfried Lowitz und Rosemarie
Fendel. Die Atmosphäre des Films habe ihm gefallen, und dass es trotz der Spannung und der Morde
nie ein lautes Wort gibt. Ich hatte bei der Inszenierung schon den Film vor Augen.
Die Physiker sei ein Kammerspiel, das sich besonders gut für
die kleine bühne eigne. Hagemann lässt das Stück etwa in der Zeit seiner Entstehung (1961)
spielen. Das bei den Proben in der vergangenen Woche noch im Entstehen begriffene Bühnenbild verweist
auf diese Zeit. Für seine Inszenierung hat Hagemann den Text auf eine Dauer von rund 90 Minuten
gekürzt und einige Charaktere gestrichen, die ihm nicht unbedingt notwendig erschienen. Wir
haben jetzt elf Rollen. Weil wir ein Verein sind, möchte ich ja auch immer, dass möglichst
viel Leute mitspielen können.
Die Beschränkung lasse die Konflikte zwischen den Hauptakteuren noch
deutlicher, noch schärfer hervortreten. Hagemann selbst verzichtet auf eine Rolle: Das wäre
mir zu viel. Ich habe gerade erst angefangen, Regie zu machen, und beides zugleich traue ich mir, ehrlich
gesagt, nicht zu. Aber wir konnten wieder Leute aktivieren, die schon länger nicht gespielt haben,
und die Jungen wachsen gut ins Ensemble rein, freut er sich. Thomas Zimmer
Die Schelmenstreiche des Scapin
BNN Ettlingen, Montag 10. März 2014, Ausgabe Nr. 57
Hohes Tempo und erheiternde Einlagen
Jugendensemble Arcobaleno Ettlingen feiert erfolgreiche
Premiere von Die Schelmenstreiche des Scapin
Bei der Uraufführung im Jahre 1671 stieß Molières Stück
Die Schelmenstreiche des Scapin auf wenig Resonanz und viel Kritik. Man warf dem Autor eine
übertriebene Darstellung der Charaktere vor. Der Erfolg stellte sich erst später ein. Dass
diese dankbare Vorlage für Schauspieler auch heute noch für einen ungemein vergnüglichen
Theaterabend taugt, wurde am Samstagabend in der kleinen bühne Ettlingen deutlich. Die
Produktion des Jugendensembles Arcobaleno unter der Regie von Ute Merz erhielt zu recht viel
Applaus. In ihrer eigens für die junge Theatertruppe geschriebenen Fassung hält sich Ute Merz
eng an die Vorgaben der Commedia dell' Arte; jener Theaterform also, bei der es um Masken und Typen geht
und die auf moralische Belehrung verzichtet. Denn moralisch kann man die Art und Weise nicht
nennen, sondern ausgesprochen durchtrieben, wie der Diener Scapin Ordnung in ein ziemliches
Bühnendurcheinander bringt.
Zur Handlung nur soviel: Zwei geizige, alte Kaufleute (Samantha Steins und
Lukas Buck) wollen ihre Kinder verheiraten, aber die haben längst für andere Verhältnisse
gesorgt. Sohn Leander(Simon Strnad) verliebt sich in die angebliche Zigeunerin Zerbinette, Octave (Tillmann
Freidenreich) hat gar das Girlie Hyazinthe (Larissa Dehm) geheiratet.
Nun schlägt die Stunde Scapins, den David Strobel mit der genau richtigen
Mischung aus Mutterwitz, komödiantischer Finesse und einer präzisen Körpersprache auf die
Bühne bringt. Mit Unterstützung des Dienerkollegen Silvester (Anika Steidl) und diversen
haarsträubenden Erfindungen trickst er die beiden Alten aus und sorgt so dafür, dass sich die
falschen Paare am Ende sogar noch als die richtigen entpuppen.
Bei ihrer Neubearbeitung hat Ute Merz nicht nur die Dialoge aufpoliert und
punktgenau auf ihre jungen Akteure zugeschnitten, sondern diverse szenische Einlagen integriert. Um ein
Beispiel zu nennen: Die Idee, die langen Monologe, in denen die jeweilige Vorgeschichte erklärt
wird, als Schattenspiel aufzuführen, macht Sinn. Denn so wird das Tempo hochgehalten und es gibt
gleichzeitig Raum für erheiternde Einlagen.
Immer wieder wird auch das Geschehen auf der Bühne unterbrochen. Die
gesamten Nebenrollen reduzieren sich hier nämlich auf eine Amme (Eleonore Benjowski), die von Scapin
kurzerhand aus dem Publikum heraus engagiert wird.
Nimmt man jetzt noch die putzigen Musikeinlagen dazu Drafi Deutschers
Uralthit Weine nicht, wenn der Regen fällt hätte man wohl nicht bei Molière
vermutet so addiert sich das zu einem zweistündigen großen Theaterspaß, bei dem
sich das ganze Ensemble durch sehr viel Spielfreude auszeichnet.
Heinz Klusch